hatten in den Jahren von 1920 bis 1923 die Politik der Regierungskommis¬
sion und der Franzosen unterstützt29. Obwohl diese Einzelpersönlichkeiten
von der Regierungskommission oder den Franzosen gewonnen waren, steht
fest, daß zunächst innerhalb der Freien Gewerkschaft einige Führer stärker
der USP als den Mehrheitssozialisten zuneigten und daß die Arbeiterschaft
selbst, wenn ihre materiellen Belange getroffen waren, sich diesen anver¬
traute30. Die Hoffnungen, die französische Kreise auf diese Tendenzen
innerhalb des Linksradikalismus setzten, erwiesen sich dennoch rasch als
illusorisch. Die USP erreichte bei den Wahlen zum saarländischen Landesrat
1922 nur mehr 1,4 Prozent der Stimmen31 und wurde selbst von der KPD
wegen ihrer Beziehungen zur Regierungskommission verdächtigt32.
Dagegen begannen sich die Erfolge der Kommunisten, die sie durch ihre
radikale Agitation in den Gewerkschaften bei der Arbeiterschaft gewonnen
hatten, 1922 eindeutig abzuzeichnen. Die KPD kandidierte zum saarlän¬
dischen Landesrat und stellte auf ihrer Liste 30 Kandidaten33 auf. Sie gab
eine eigene Zeitung heraus, die „Arbeiter-Zeitung“, und verfügte bereits
über ein ausgebautes Organisationsnetz34. Ihre Arbeit und ihre Organisation
vollzogen sich in enger Verbindung mit der deutschen KP. Einige Artikel
beschäftigten sich täglich mit allgemeinen Problemen und Auseinander¬
setzungen des russischen und deutschen Kommunismus wie des internatio¬
nalen Sozialismus. Aufrufe der deutschen KPD-Leitung und des Internatio¬
nalen Zentralkomitees wurden veröffentlicht. Der Untertitel der Arbeiter¬
zeitung lautete zeitweise „Organ der KPD — Sektion Saargebiet, Mitglied
der 3. Internationale“. Die Partei war in beachtlicher Stärke auf dem Be¬
zirkstag der KPD-Mittelrhein im März 1922 in Köln vertreten; die saar¬
ländischen Delegierten wurden in Ausschüsse gewählt und konnten von
besonderen Erfolgen an der Saar berichten35.
Die Eigenart der Arbeit und der Erfolge der KPD an der Saar werden seit
1922 mit dem Erscheinen der Arbeiterzeitung und den Erklärungen und
Äußerungen der kommunistischen Landesratsabgeordneten im saarländi¬
schen Landesrat erst klar faßbar. Das Gepräge der Zeitung durch die großen
Angelegenheiten des Kommunismus darf nicht darüber hinwegtäuschen, daß
sich nach dem Ausscheiden von Waltz und in der Auseinandersetzung um
die Schaffung des saarländischen Landesrates eine Konzeption der KPD-
Saar mit ganz eigentümlich saarländischen Zügen herausbildete.
Die große Linie in der Saarpolitik wurde besonders deutlich in der pro¬
grammatischen Erklärung der Partei bei der Eröffnung des saarländischen
29 Vgl. dazu oben S. 73 f. u. S. 191; außerdem Kiefer, a. a. O., S. 65; Schwarz, a. a. O.,
S. 83 ff.; Obe, a. a. O., S. 47f.
30 H o f f m a n n, a. a. O., S. 47.
31 S. Übersicht im Anhang Nr. 1, unten S. 335.
32 A.Z. Nr. 128 v. 23. 6. 1922 „In letzter Stunde“; A.Z. Nr. 134 v. 30. 6. 1922 „Die
Lehre der Wahl“.
33 A.Z. Nr. 127 v. 21. 6. 1922.
34 Z. B.: A.Z. Nr. 119 v. 13. 6. 1922 „Wo bestelle ich die Arbeiterzeitung?“.
35 A.Z. Nr. 54 v. 8. 3. 1922 „Der Parteitag des Bezirks Mittelrhein“ u. Nr. 55 v.
9. 3. 1922.
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