Einspruch beim Rat9. Rault erklärte daraufhin in einem Brief vom 1. Sep¬
tember 1924, daß die Kontingentierung sehr großzügig gehandhabt und die
Interessen der Saarländer berücksichtigt werden sollten10. Trotzdem griff
der Rat die Frage in seiner Sitzung am 19. September 1924 auf. Der Bericht
Salandras nahm Kenntnis von der Erklärung der Regierungskommission,
daß sie in liberalem Geiste handeln wolle und sprach die Überzeugung aus
„. . . que la Commission donnera l’interprétation la plus large possible aux
dispositions qui se rapportent à l’entrée en franchise de douane des mar¬
chandises allemandes dans la Sarre jusqu’au janvier 1925“. Dem Berichte
fügte Salandra noch hinzu, daß er als eine Empfehlung an die Regierungs¬
kommission gedacht sei, die Regierungskommission könne zwar entscheiden,
aber der Rat gebe in diesem Fall eine Empfehlung, von der Salandra glaube,
daß sie von der Regierungskommission angenommen werde11. Lord Par-
moor betonte, daß durch eine freiheitliche Handhabung der Kontingentie¬
rung zwar ein Teil der Schwierigkeiten gelöst werde, aber der Vertrag lasse
keine Beschränkung der deutschen Einfuhr zu und deshalb habe man in
England dieser Frage besondere Aufmerksamkeit entgegengebracht12. Die
Haltung des Rates veranlaßte Rault und die Franzosen, die Maßnahmen
zur Einschränkung der Einfuhr aus dem Deutschen Reich so zu modifizieren
und anzuwenden, daß den Wünschen der Bevölkerung in der Praxis Rech¬
nung getragen wurde13.
Durch diese Stellungnahme des Rates war für die weitere Entwicklung der
Zollfragen nach den Wünschen der Saarbevölkerung eine günstige Disposi¬
tion geschaffen. Die Vertreter der Bevölkerung ruhten nicht, bis ihre we¬
sentlichen Anliegen in der Zollfrage erfüllt waren. Der Rat, die Regierungs¬
kommission und Frankreich dachten zwar nicht daran, den Versailler Ver¬
trag durch eine Nichteingliederung in das französische Zollsystem zu revi¬
dieren14, wie besonders die Zentrumspartei und die Deutsch-Saarländische
Volkspartei in dem offenen Brief an Edouard Herriot, von dem bereits in
anderem Zusammenhang die Rede war, gefordert hatten15. Dagegen ver¬
fehlten die Darstellung der konkreten Verhältnisse und die Aufzählung von
Einzelwünschen in Schritten von Vertretern von Handel und Industrie und
der Parteien bei der Saarregierung, Frankreich, Deutschland und dem Rat
nicht ihren Eindruck. Die Handelskammer Saarbrücken veröffentlichte im
September 1924 eine Denkschrift, in der sie sich gegen die Aufhebung des
zollfreien Warenverkehrs mit Deutschland aussprach und organisatorische
Erleichterungen im Zollverfahren verlangte16. Der Verein zur Wahrung der
wirtschaftlichen Interessen wandte sich am 4. Dezember 1924 mit einer
9 Vgl. dazu S.D.N. J.O. V,10 (1924), S. 1312 f.
10 Ebenda.
11 Ebenda, S. 1313.
12 Ebenda.
13 Ebenda: J.O. VI, 3 (1925), S. 308.
14 Dazu besonders Raults Brief über die Zollprobleme v. 6. 12. 1924: S.D.N. C. 799.
M. 268. 1924. I. (Brief als Anhang zur Denkschrift des Vereins zur Wahrung der
wirtschaftlichen Interessen).
15 Vgl. dazu oben S. 86.
16 Keuth, a. a. O., S. 310f.
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