Full text: Parteien und Politik im Saargebiet unter dem Völkerbundsregime 1920 - 1935

Einspruch beim Rat9. Rault erklärte daraufhin in einem Brief vom 1. Sep¬ 
tember 1924, daß die Kontingentierung sehr großzügig gehandhabt und die 
Interessen der Saarländer berücksichtigt werden sollten10. Trotzdem griff 
der Rat die Frage in seiner Sitzung am 19. September 1924 auf. Der Bericht 
Salandras nahm Kenntnis von der Erklärung der Regierungskommission, 
daß sie in liberalem Geiste handeln wolle und sprach die Überzeugung aus 
„. . . que la Commission donnera l’interprétation la plus large possible aux 
dispositions qui se rapportent à l’entrée en franchise de douane des mar¬ 
chandises allemandes dans la Sarre jusqu’au janvier 1925“. Dem Berichte 
fügte Salandra noch hinzu, daß er als eine Empfehlung an die Regierungs¬ 
kommission gedacht sei, die Regierungskommission könne zwar entscheiden, 
aber der Rat gebe in diesem Fall eine Empfehlung, von der Salandra glaube, 
daß sie von der Regierungskommission angenommen werde11. Lord Par- 
moor betonte, daß durch eine freiheitliche Handhabung der Kontingentie¬ 
rung zwar ein Teil der Schwierigkeiten gelöst werde, aber der Vertrag lasse 
keine Beschränkung der deutschen Einfuhr zu und deshalb habe man in 
England dieser Frage besondere Aufmerksamkeit entgegengebracht12. Die 
Haltung des Rates veranlaßte Rault und die Franzosen, die Maßnahmen 
zur Einschränkung der Einfuhr aus dem Deutschen Reich so zu modifizieren 
und anzuwenden, daß den Wünschen der Bevölkerung in der Praxis Rech¬ 
nung getragen wurde13. 
Durch diese Stellungnahme des Rates war für die weitere Entwicklung der 
Zollfragen nach den Wünschen der Saarbevölkerung eine günstige Disposi¬ 
tion geschaffen. Die Vertreter der Bevölkerung ruhten nicht, bis ihre we¬ 
sentlichen Anliegen in der Zollfrage erfüllt waren. Der Rat, die Regierungs¬ 
kommission und Frankreich dachten zwar nicht daran, den Versailler Ver¬ 
trag durch eine Nichteingliederung in das französische Zollsystem zu revi¬ 
dieren14, wie besonders die Zentrumspartei und die Deutsch-Saarländische 
Volkspartei in dem offenen Brief an Edouard Herriot, von dem bereits in 
anderem Zusammenhang die Rede war, gefordert hatten15. Dagegen ver¬ 
fehlten die Darstellung der konkreten Verhältnisse und die Aufzählung von 
Einzelwünschen in Schritten von Vertretern von Handel und Industrie und 
der Parteien bei der Saarregierung, Frankreich, Deutschland und dem Rat 
nicht ihren Eindruck. Die Handelskammer Saarbrücken veröffentlichte im 
September 1924 eine Denkschrift, in der sie sich gegen die Aufhebung des 
zollfreien Warenverkehrs mit Deutschland aussprach und organisatorische 
Erleichterungen im Zollverfahren verlangte16. Der Verein zur Wahrung der 
wirtschaftlichen Interessen wandte sich am 4. Dezember 1924 mit einer 
9 Vgl. dazu S.D.N. J.O. V,10 (1924), S. 1312 f. 
10 Ebenda. 
11 Ebenda, S. 1313. 
12 Ebenda. 
13 Ebenda: J.O. VI, 3 (1925), S. 308. 
14 Dazu besonders Raults Brief über die Zollprobleme v. 6. 12. 1924: S.D.N. C. 799. 
M. 268. 1924. I. (Brief als Anhang zur Denkschrift des Vereins zur Wahrung der 
wirtschaftlichen Interessen). 
15 Vgl. dazu oben S. 86. 
16 Keuth, a. a. O., S. 310f. 
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