Full text: Parteien und Politik im Saargebiet unter dem Völkerbundsregime 1920 - 1935

Regierungskommission war durch Sparmaßnahmen, vor allem die Kürzung 
der Gehälter, Löhne, Pensionen und Renten, durch die Steuererhöhung und 
durch Rückgriff auf die Reserven in der Lage, den Staatshaushalt zu regu¬ 
lieren. Durch ihre Politik gegenüber den Gemeinden suchte sie ein Finanz¬ 
chaos in diesen demokratischen Gebilden, die nicht zu unpopulären Ma߬ 
nahmen schreiten wollten, zu verhindern64. 
Die Regierungskommission und die Parteien hatten aber audi bei Beginn 
der Weltwirtschaftskrise ein gemeinsames bedeutsames Projekt für die Saar 
entwickelt, die Aufnahme einer großen internationalen Anleihe65. Besonders 
die Sozialdemokratische Partei unter der Führung von Braun hatte sich 
immer wieder leidenschaftlich für diesen Plan eingesetzt66. Da der Völker¬ 
bundsrat diese Anleihe genehmigen mußte, hatte Deutschland sie verhindern 
können67. 
Insgesamt war es in der Steuerpolitik des Saargebiets zu einer fruchtbaren 
Zusammenarbeit zwischen Regierung und Bevölkerung gekommen. Die Ge¬ 
sichtspunkte der Regierungskommission wie der Bevölkerung hatten in der 
Gestaltung der Verhältnisse Geltung gefunden. Die Einführung der indirek¬ 
ten Steuern und der Schutz der saarländischen Industrie vor einer steuer¬ 
lichen Überbelastung waren Anliegen, die von der Regierungskommission 
zur Sanierung des Staatshaushaltes, zur Anpassung an die Zollunion mit 
Frankreich und zum Wohl des wirtschaftlichen Lebens an der Saar auch 
gegen die Wünsche der Bevölkerung durchgesetzt worden waren. In der 
sozialen Ausgestaltung des direkten Steuersystems und der Respektierung 
der finanziellen Selbständigkeit der Gemeinden hatte man den Forderungen 
des Landesrates entsprochen. So war besonders seit 1926 eine Gesamtord¬ 
nung entstanden, die sowohl die Interessen der Arbeiterschaft und der Mit¬ 
telschichten wie der Großindustrie berücksichtigte. Die fortschreitende Durch¬ 
dringung der Gesetzgebung mit sozialen Grundsätzen führte nie zu einer 
höheren Besteuerung der oberen Schichten, sondern mündete bei einer star¬ 
ken Reduzierung der Steuerlast für untere und mittlere Einkommen in den 
Spitzen wieder in die alten Ordnungen68. Die Haltung der Regierungskom¬ 
mission, die über den Parteien stand und die verschiedenen Gesichtspunkte 
64 S.D.N. J.O. XIII,4 S. 965; Latz a. a. O., S. 237. 
65 S.D.N. J.O. X,1 (1929), S. 179 ff.; X,6 S. 957; X,7 S. 2441; X,ll S. 1477, 1710, 2496; 
XII,11 (1931), S. 2890. 
66 Volksstimme Nr. 116 v. 21. 5. 1931 „Bei Curtius“; Volksstimme Nr. 45 v. 23. 2. 1932 
„Entschließung zur Anleihe- und Arbeitsmarktpolitik“; A.A. II Bes. Geb. Saargebiet, 
Bildung eines Saarausschusses, Bd. 1; II SG 1276, Aufzeichnung über die Sitzung des 
Saarausschusses vom 1. Juli 1929, in der die Saarvertreter auch das Anleiheprojekt 
vertreten hatten. 
67 A.A. a. a. O., II SG 1809; Abschrift einer Aufzeichnung Friedbergs vom 26. 8. 1930; 
die Gründe Deutschlands gegen die Anleihe waren folgende: 1. Die Anleihe sei erst 
nach der Abstimmung zurückzuzahlen, belaste also das Deutsche Reich; 2. das mit der 
Anleihe vorgesehene Investitionsprogramm greife einer deutschen Politik nach 1935 
vor; 3. von Arbeitslosigkeit könne im Saargebiet noch kaum gesprochen werden; 
4. die Steuern im Saargebiet lägen erheblich unter den deutschen; 5. mit den Anleihe¬ 
geldern erhielten französische Firmen Aufträge; die Anleihe unterstütze also nur die 
Erfolge des Saarregimes und die französischen Hoffnungen auf die Saar. 
68 Vgl. dazu die Darlegungen der Reg.-Kom. über die Einkommensteuer in der Reform 
von 1929/30 S.D.N. J.O. XI,5 (1930), S. 475. 
140
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.