Westschweiz und Frankreich von der Regierungskommission begünstigt,
nach Deutschland aber unterbunden worden waren111. Daran änderte sich
auch nichts, als in Berlin112 entsprechende Kurse stattfanden, die ebenfalls
von saarländischen Lehrern mit finanzieller Unterstützung der Regierungs¬
kommission besucht wurden. Audi in den Schulen kam die Unterrichtung
über internationale Friedensinstitutionen und -bemühungen wenig zur Gel¬
tung. Man übte im Landesrat und in den Lehrerzeitschriften scharfe Kritik
an den vorgeschlagenen Lehrbüchern, vor allem wenn darin französische
Friedensapostel oder Ideen besonders breit dargestellt wurden113. Außerdem
lebte das Ressentiment gegenüber der Saarsituation stets erneut auf:
„. . . Wer will es uns ferner übelnehmen, daß wir in der Verteidigung der mensch¬
lichen Urrechte, der Verbundenheit mit unserem Volk, skeptisch werden gegen
einen internationalen Geist, der bei uns vertreten ist durch eine Verwaltung, die
durch das Versailler Diktat zu der dritten Abstimmungsmöglichkeit gehört.. .“ I14.
Solche Auffassungen verhinderten eine Befruchtung des Geistes der saar¬
ländischen Schulen, wenn auch die Sozialdemokraten115 und einige Päda¬
gogen zu einer gültigen Konzeption über die Verbindung von nationaler
Selbstbestimmung und internationaler Friedenspolitik gelangt waren116. Die
Kampf- und Abstimmungssituation überschattete solche Bemühungen und
prägte das geistige und politische Klima der Schulen und das Verhältnis zur
Regierungskommission.
Arbeitsrecht und Sozialversicherungen
Die Entwicklung des Arbeitsrechts und der Sozialversicherungen war im
Saargebiet in ganz besonderer Weise durch die Kompliziertheit des in Ver¬
sailles geschaffenen Systems belastet. In anderen Zusammenhängen wurden
die entsprechenden Bestimmungen bereits genannt, die hier noch einmal
kurz zusammengefaßt werden sollen: Die grundsätzliche Festlegung auf die
Rechtsordnung vom 11. November 1918 auch in dieser Materie1, die Bin¬
dung der Regierungskommission an die vom Völkerbund angenommenen
fortschrittlichen Grundsätze über Arbeitsrecht2, das Verbot, die bestehende
Rechtsordnung für die Gruben ohne Befragung des französischen Staates
zu verändern3, die Garantie der Versicherungsansprüche der saarländischen
111 Ebenda, 8. Jg. (1928/29), S. 90f.: Erinnerungen an bekannte Genfer Ausflüge; Jg. 10
(1930/31), S. 110: Genfer Sommerkurse.
H2 S.D.N. J.O. XI,3 (1930), S. 280.
113 Deutsche Schule an der Saar, 8. Jg. 1928/29, S. 451 ff.: W. Hard, Ein Lesebuch des
Völkerfriedens.
m Deutsche Schule an der Saar, 8. Jg. 1928/29, S. 213; ähnliche Gedanken ebenda,
S. 102f.: Hard, Der Tag des guten Willens, und 6. Jg. 1926/27, S. 363.
115 Landesrat des Saargeb., Sten. Ber. v. 25. 7. 1929, S. 321. Vgl. auch unten S. 186.
116 Vgl. dazu Zenner, Der Völkerbund im Unterricht der Volksschule, in: Neue
Deutsche Schule, Frankfurt (Main), Mai 1928.
1 § 12 und § 23 des Saarstatuts; vgl. auch oben S. 57.
2 § 23 Absatz 4 des Saarstatuts; darüber auch oben S. 33.
3 § 23 Absatz 3 des Saarstatuts; vgl, auch oben S. 33 f.
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