Full text: Interkommunale Zusammenarbeit im Saar-Lor-Lux-Raum

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durchschnittlichen Angebot gewerblicher Arbeitsplätze Teile der erhobenen Gewerbesteuer an Gemein¬ 
den mit überwiegender Wohnfunktion ab. 
4.6.4 Gesetzliche Grundlagen der kommunalen grenzüberschreitenden Kooperation 
Das Kommunalgesetz des Großherzogtums macht keinerlei Angaben über die grenzüberschreitenden 
Befugnisse der luxemburgischen Kommunen. Es sei auf die in Kapitel 4.8 zu erläuternden multilateralen 
Abkommen verwiesen, an deren Vorbereitung und Unterzeichnung der luxemburgische Staat beteiligt 
war, und somit seinen Gemeinden gewisse Kompetenzen zugesteht, die für die vorliegende Arbeit von 
Interesse sind. 
4.7 Rahmenbedingungen in Belgien 
4.7.1 Grundzüge der belgischen Territorial Verwaltung 
Die jüngere Geschichte Belgiens ist gekennzeichnet von starken Regionalisierungstendenzen im Zuge 
der Streitigkeiten zwischen dem flämischen und dem wallonischen Teil des einstmals zentralistisch ge¬ 
prägten Staatsgebildes. Die Auseinandersetzungen führten zu mehreren Verfassungsänderungen (zuletzt 
1989) und den sogenannten Accords de la Saint Michel (1992), die eine föderalistische Struktur mit den 
drei Regionen Brüssel, Wallonien und Flandern schufen. Gleichzeitig wurden die Kompetenzen des Se¬ 
nats (Parlament der gewählten Abgeordneten) beschnitten, während die Einflußmöglichkeiten der Kam¬ 
mer (Vertreter der Regionen) erhöht wurden. Die drei Regionen stellen eine neue Ebene territorialer 
Gebietskörperschaften über den 9 Provinzen und 589 Gemeinden Belgiens dar. Ihnen steht eine direkt 
gewählte Versammlung (assemblée) vor, die durch eigene Erlasse („décrets“, in der Region Brüssel 
ordonnances) quasi Gesetzgebungskompetenz besitzt. Nicht nur mit der Legislative, sondern auch im 
Verhältnis zu den Provinzen und Gemeinden unterscheidet sich die belgische Region deutüch von dem 
französischen Pendant. Eine hierarchische Verwaltungsstruktur (tutelle) bietet ihnen starken Einfluß auf 
die untergeordneten Gebietskörperschaften (BOYER 1994:154; VANDERMOTTEN & Istaz 1995:844). 
Neben den Regionen als Gebietskörperschaften wurden durch die Verfassungsreformen nicht- 
territorialisierte Gemeinschaften („communautés“) der drei sprachlich-kulturellen Volksgruppen eta¬ 
bliert (Französischsprachige, Niederländischsprachige und Deutschsprachige Gemeinschaft Belgiens). 
Ihnen werden Kompetenzen in „personalisierbaren“ Aufgabenbereichen (z.B. Bildungswesen) zuteil. Die 
Regionen und Gemeinschaften Belgiens verfügen derzeit über ein Budget, das über 50 Prozent des Bun¬ 
desbudgets liegt. Diese Zahl unterstreicht eindrucksvoll den Stellenwert der Regionalisierung in Belgien 
(BOYER 1994:155). 
Traditionell verfolgte der belgische Staat seit seiner Gründung eine Stärkung der Gemeinden in ihren 
historischen Grenzen: „Elle [la politique belge] a très longtemps favorisé- le retour à l'autonomie des 
communes antérieurement fusionnées, ou admis la création de communes nouvelles“ (KERKHOFS- 
BONNEVIE & COLLIGNON 1980:11). Seit den 1950er Jahren jedoch sei ein gegenläufiger Trend festzu¬ 
stellen, der sich in den 60er Jahren verstärkte und eine vollständige Reorganisation ankündigte. Diese 
erfolgte 1977 durch eine Gemeindereform, die die Zahl der belgischen Kommunen von 2675 auf 589 
reduzierte (Provinz Luxemburg: 229 bzw. 44) - ein Prozeß, der, wie in anderen Ländern auch, von zahl¬ 
reichen lokalen Konflikten begleitet wurde (LEPSZY & WOYKE 1985:21). 
Der Bürgermeister, vom Gemeinderat vorgeschlagen und vom König ernannt, ist eindeutig der Ge¬ 
meinde verpflichtet. Er hat die Interessen seiner Gemeinde gegenüber den übergeordneten Verwaltungs¬ 
und Regierungsebenen zu vertreten, aber auch staatliche Direktiven umzusetzen. Die Kommunalpolitik 
ist in Belgien wichtiges Fundament einer jeden politischen Karriere, was unter anderem die Tatsache 
belegt, daß 1985 etwa die Hälfte der Abgeordneten in Brüssel gleichzeitig Gemeindebürgermeister wa¬ 
ren (LEPSZY & WOYKE 1985:22).
	        
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