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ten, davon 45 % bei den Gemeinden (CRÉDIT LOCAL DE FRANCE 1994:68). Eine Beteiligung ausländi¬
scher Gebietskörperschaften ist nunmehr möglich, setzt aber eine zwischenstaatliche Rahmenvereinba¬
rung sowie eine Reziprozitätsregelung voraus, das heißt für französische Gebietskörperschaften muß im
Partnerland dieselbe Möglichkeit bestehen. Die Notwendigkeit einer vorherigen zwischenstaatlichen
Vereinbarung (accord préalable entre les États) ist nach AUTEXIER (1993:67) im Zusammenhang mit
Frankreichs Erklärung anläßlich seines Beitritts zum Madrider Übereinkommen (s.o.) am 10. November
1982 zu sehen:
„Anläßlich der Unterschrift dieses Übereinkommens erklärt die Regierung der französischen Repu¬
blik gemäß Art. 3 Abs. 2 des Übereinkommens, daß sie seine Anwendung an die Bedingung des Ab¬
schlusses zwischenstaatlicher Vereinbarungen knüpft."51
Ferner beinhaltet das Gesetz eine Mehrheitserfordemis. Über diese wird „sichergestellt, daß die fran¬
zösischen Gebietskörperschaften und ihre Verbände über mehr als die Hälfte der Anteile an Stammkapi¬
tal der lokalen gemischtwirtschaftlichen Gesellschaften und der Stimmen in ihrem Leitungsorgan verfü¬
gen." (AUTEXIER 1993:71).
Während die Forderung nach zwischenstaatlichen Vereinbarungen und einer Gleichbehandlung fran¬
zösischer Gebietskörperschaften im nationalen Recht der Kooperationspartner als formale Forderungen
im Sinne einer europäischen Harmonisierung der Gesetzesgrundlagen, die der grenzüberschreitenden
Kooperation Vorschub leisten soll, verstanden werden können, kann das Mehrheitserfordemis zum
Hemmnis für die Zusammenarbeit werden. Die Gewißheit, in einer grenzüberschreitenden SEML nur als
Minderheit partizipieren zu können, schließt diese Form der Zusammenarbeit für die benachbarten Ge¬
bietskörperschaften dann aus, wenn die Inhalte der Kooperation (z.B. gemeinsames Gewerbeflächen¬
management) eine Gleichberechtigung gebieten. So scheiterte beispielsweise die Gründung einer inter¬
nationalen SEML als Zweckverband zur Koordinierung des „Pôle Européen de Développement (PED)"
im lothringisch-luxemburgisch-belgischen Grenzraum an der verständlicherweise fehlenden Bereitschaft
der Kooperationspartner in Belgien und Luxemburg, sich einer französischen „Vormachtstellung" unter¬
zuordnen (Schulz 1994:97).
Mit dem Groupement d'intérêt Public (GIP) schuf das Gesetz eine Person des Öffentlichen Rechts,
die auch grenzüberschreitend tätig werden kann:
„Des groupements d'intérêt public peuvent également être créés [...] pour mettre en œuvre et gérer
ensemble, pendant une durée déterminée, toutes les actions requises par les projets et programmes de
coopération interregionale et transfrontalière intéressant des collectivités locales appartenant à des États
membres de la Communauté économique européenne“ (Art. 133 Loi Joxe/Marchand).
Der GIP stellt ein öffentliches Pendant zur Europäischen wirtschaftlichen Interessenvereinigung
(EWIV) auf dem Privatsektor dar, darf aber in der Regel keine Gewinne erwirtschaften52. Wie bei der
EWIV herrscht das Transparenzprinzip, d.h. das Ergebnis der Tätigkeit wird bei den Mitgliedern be¬
steuert (Körperschaftssteuer) (AUTEXIER 1993:73ff.).
Im Jahre 1995 brachte das neue Raumordnungsgesetz, die sogenannte Loi Pasqua53, weitere Klarheit
bezüglich der Kompetenzverteilung zwischen den Verwaltungsebenen. Es schuf unter anderem die
Möglichkeit für Gebietskörperschaften an den Außengrenzen der Republik, auch an Einrichtungen ihrer
europäischen Nachbarn teilzuhaben (RÉGION LORRAINE 1995b:20).
51 Dekret vom 6. Juni 1984 über die Veröffentlichung des Madrider Übereinkommens
5‘ näheres regelt das Décret n° 93-571 du 27 mars 1993 relatif aux groupements d'intérêt public institués par
l'article 133 de la loi d'orientation n° 92-125 du 6 février 1992 relative à l'administration territoriale de la
République
53 Loi n° 95-115 du 4 février 1995 d'orientation pour l'aménagement et le développement du Territoire