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de communes bzw. die communautés de villes (>20.000 Einwohner), die folgende Pflichten überneh¬
men: die kommunale Raum- und Bauleitplanung, die wirtschaftliche Entwicklung sowie wahlweise ei¬
nen der Bereiche Umwelt, Wohnungsbau, Straßenbau/-unterhaltung, kulturelle, sportliche und schuli¬
sche Einrichtungen. Hierdurch sollen weitere Anreize für die interkommunale Kooperation geschaffen
werden bei gleichzeitiger Verlagerung des inhaltlichen Schwerpunktes vom Bereich Ver- und Entsor¬
gung si nfrastruktur hin zu den Bereichen Raumordnung und Wirtschaftsentwicklung (BOURJOL
1993:127ff.). Ferner eröffnet das Gesetz den Gebietskörperschaften erstmals die Möglichkeit zur eigen¬
ständigen Kooperation mit ihren ausländischen Pendants, die sich an sogenannten Sociétés d'Economie
Mixte Locales (SEML) oder den Groupements d'intérêt Public (GIP) beteiligen können (s.u.).
Rein quantitativ liefern die interkommunalen Aktivitäten in Frankreich ein eindrucksvolles Bild:
1990 zählte man 12.907 SIVU (davon 650 in Lothringen), 2.286 SIVOM (117) und 165 Distrikte (15).
Die insgesamt 19.000 französischen Gemeindegruppierungen gaben im selben Jahr über 80 Mrd. Francs
aus, was einem Viertel aller von den Kommunen getätigten Aufwendungen entsprach. Entsprechend den
vorgenannten Aktivitätsschwerpunkten nahmen die investiven Ausgaben mit 51 % im Vergleich zu 35
% in den Gemeindehaushalten eine Vorrangstellung ein. Letztere haben beispielsweise das Dreifache an
Personalausgaben zu bewältigen CRÉDIT Local DE FRANCE 1994:66). Dennoch wertet RAYMOND
(1991:35f) dies nur als Teilerfolg, da einige der Zusammenschlüsse nur (noch) auf dem Papier existier¬
ten, das gleichzeitige Engagement einer kleinen Gemeinde in mehreren unterschiedlichen syndicats einer
nachhaltigen und schlüssigen Entwicklungsplanung zuwiderlaufe und diese Art von Kooperation letzt¬
lich nicht die Probleme des „éparpillement communal“, der Zerstückelung des Raumes in
Klein(st)gemeinden mit all seinen Konsequenzen, lösen helfe. Streitigkeiten beispielsweise zwischen
Gemeinden mit unterschiedlichen politischen Mehrheitsverhältnissen treten zwangsläufig auch in den
Entscheidungsgremien interkommunaler Institutionen zu Tage, ja können deren Arbeit sogar lähmen.
Nicht unbeachtet bleiben sollte in diesem Zusammenhang, daß Bürgermeister und Gemeinderäte als
Repräsentanten in den Verwaitungs- und Aufsichtsräten dieser Einrichtungen zusätzliche Aufwands¬
entschädigungen beziehen, deren Höhe durchaus interessante Nebeneinkünfte darstellen mögen. So
könnte es im persönlichen Interesse solcher Notablen liegen, daß sich ihre Gemeinde in möglichst vielen
unterschiedlichen interkommunalen Verbänden engagiert...
Nicht zuletzt wegen der Unzulänglichkeiten dieser Gemeindestruktur erlebte Frankreich in den letz¬
ten Jahren eine Renaissance der pays, die - in Anlehnung an die traditionelle Bezeichnung für ein kohä¬
rentes, von der Bevölkerung als zusammengehörig empfundenes Gebiet - zum potentiellen Raumord¬
nungsinstrument erhoben wurden48. Im Zeitraum August 1995 bis Juni 1996 wurden versuchsweise 42
pays als Testgebiete betrachtet, in denen bestehende Formen der interkommunalen Kooperation in eine
ganzheitlichere, dauerhafte Form der Zusammenarbeit gegossen werden sollten. Die Bildung der pays
obliegt der Commission départementale de la coopération intercommunale. Sie kann ein pays einrich¬
ten, „lorsqu'un territoire présente une cohérence géographique, culturelle, économique ou sociale“49. Der
Erfolg dieser Rückbesinnung kann noch nicht bewertet werden, auch erscheint die politische Zielsetzung
nicht eindeutig. Darauf deutet die unüberschaubare Vielzahl von Definitionsversuchen hin, die, in Er¬
mangelung einer klaren Definition seitens des Gestezgebers, in den französischen Raum- und Rechts¬
wissenschaften kursieren: „Ce flou de la définition prouve que le concept de pays est un concept inache¬
vé dans sa formulation, et donc un concept en devenir“ (ROLLAND-MAY & PROSIC 1997:244).
4.5.3 Finanzielle Ausstattung der Gemeinden
Die Dezentralisierungsbemühungen hatten vordergründig auch eine spürbare, aber bescheidene Ver¬
besserung der finanziellen Ausstattung der Gebietskörperschaften zur Folge. Verfügten sie im Jahre
48 Loi n° 95-115 du 4 février 1995 d'orientation pour l'aménagement et le développement du Territoire, sog.
„Loi Pasqua“
a.a.O., Art. 22
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