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Diese Initiative ging auf einen saarländischen ErgänzungsVorschlag in der Verfassungskommission
des Bundesrates zurück. Sie stärkt einerseits die Staatlichkeit der Bundesländer, gleichzeitig schafft sie
die verfassungsrechtlichen Voraussetzungen für eine verbesserte regionale grenzüberschreitende Koope¬
ration. AUTEXIER (1993:92) wertet diese Verfassungsnorm als „ein starkes Instrument zur Überwindung
des Territorialitätsprinzips, nach dem das Verwaltungsrecht nur für das Gebiet des Staates, der es erlas¬
sen hat, gelte und nur bis zu dessen Grenzen Gültigkeit habe".
4.4.5 Rechtsgrundlage in den Ländern
Im Februar 199235 wurde in Artikel 60 Abs. 2 Satz 2 der Verfassung des Saarlandes folgender Pas¬
sus entsprechend einer Staatszielbestimmung eingefügt:
„[...][das Saarland] arbeitet mit anderen europäischen Regionen zusammen und unterstützt grenz¬
überschreitende Beziehungen zwischen benachbarten Gebietskörperschaften und Einrichtungen."
Analog hierzu nahm der Landtag des Saarlandes am 24.3.199336 eine Ergänzung des Kommunal¬
selbstverwaltungsgesetzes (KSVG) vor, die eine „Zielvorgabe für kommunales grenzüberschreitendes
Handeln zumindest in benachbarten Regionen" (AUTEXIER 1993:7) beinhaltet. In § 5 Absatz 2 des
KSVG wurde folgender Satz 2 eingefügt:
„Sie [die Gemeinden] arbeiten mit benachbarten kommunalen Gebietskörperschaften anderer euro¬
päischer Regionen grenzüberschreitend zusammen."
Dieser Satz gilt entsprechend für die Landkreise und den Stadtverband Saarbrücken. „Benachbart"
heißt dabei nicht unbedingt „unmittelbar angrenzend" (s. Kooperation der Städte Metz und Saarbrücken
im 'Eurodistrict'). „Damit ist zwar keine neue Rechtslage geschaffen worden, nachdem sich diese Kom¬
petenz bereits aus der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie des Art. 28 Abs. 2 GG ergibt. Jedoch
zeigt diese Kommunalgesetzgebung den hohen Stellenwert, den der (saarländische) Landesgesetzgeber
der grenznachbarschaftlichen Zusammenarbeit beimißt“ (HEBERLEIN 1996:103).
Die vorgenannten gesetzlichen Regelungen weisen Parallelen zu den Gesetzesinitiativen in Frank¬
reich auf, reichen jedoch längst nicht so weit, da beispielsweise keine konkrete Rechtsgrundlage für
grenzüberschreitende Konstrukte ähnlich den französischen SEML oder GIP fehlt (s.u.). Ferner stellt
AUTEXIER (1993:95) fest, daß den saarländischen Kommunen nicht die Verhandlungskompetenz zuge¬
standen wird, wie in Frankreich: „Offensichtlich ginge es zu weit, in der Novellierung ein rechtliches
Äquivalent zum ius contrahendi der französischen territorialen Körperschaften gemäß Art. 131 des Ge¬
setzes Joxe/Marchand erkennen zu wollen. Insofern baut diese Novellierung nur ein Stück weit die
‘Brücke’ zum französischen Recht".
In Rheinland-Pfalz fehlen derartige Staatszielbestimmungen in der Landesverfassung, jedoch hat
Rheinland-Pfalz maßgeblich am Zustandekommen zwischenstaatlicher Vereinbarungen anteil, die in
erster Linie den Grenzgemeinden zugute kommen (StaatsKANZLEI RHEINLAND PFALZ 1995, 1997; s.
auch Kap. 4.8).
4.5 Rahmenbedingungen in Frankreich
4.5.1 Grundzüge der französischen Territorial Verwaltung
In Frankreich, das gemeinhin als Prototyp eines zentralistischen Staates gilt, haben die seit Anfang
der 80er Jahre eingeleiteten Dezentralisierungsmaßnahmen zu einem Bedeutungszuwachs der Gebiets-
35 Gesetz Nr. 1286 zur Veränderung der Verfassung des Saarlandes vom 26. Februar 1992
36 Gesetz Nr. 1307 zur Änderung des Kommunalselbstverwaltungsgesetzes (KSVG) des Saarlandes vom 24.
März 1993