Full text: Interkommunale Zusammenarbeit im Saar-Lor-Lux-Raum

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1 Einleitung 
1.1 Hintergrund und Fragestellung dieser Arbeit 
Als „test beds for the construction of Europe“ bezeichnete die Europäische Kommission 
(1995b:39) die grenznahen Räume in der EU. Die aktuelle wissenschaftliche Beschäftigung mit diesen 
Räumen gilt primär den raumwirksamen Phänomenen, die durch den europäischen Integrationsprozeß 
impliziert werden. In gleichem Maße greift sie mit der Betrachtung der kommunalen Ebene der grenz¬ 
überschreitenden Zusammenarbeit auch die dialektische Beziehung zwischen Globalisierungs- und Re¬ 
gionalisierungstrends unserer sozioökonomischen und politischen Systeme auf. Parallel zur Globalisie¬ 
rung der Wirtschaftsstrukturen und zur Etablierung übergeordneter, internationaler politischer Ent¬ 
scheidungsgremien (s. Maastrichter Verträge) ist in den meisten europäischen Staaten ein neues 
„Selbstbewußtsein“ der regionalen und kommunalen1 Gebietskörperschaften zu verspüren. Ob es sich 
dabei um eine bewußte Gegenreaktion auf unterer Maßstabsebene oder um einen natürlichen Nebenef¬ 
fekt der Globalisierung handelt, sei dahingestellt. Offensichtlich scheint, daß diese - auf den ersten Blick 
paradox wirkende - Entwicklung größte Beachtung verdient: „Die meisten wissenschaftlichen Diszipli¬ 
nen [stehen] diesen Phänomenen noch recht unvorbereitet gegenüber. So ist der vielschichtige Bedeu¬ 
tungsgewinn lokaler und regionaler Kontexte unter Rahmenbedingungen, die eindeutig durch zunehmen¬ 
de globale Abhängigkeiten geprägt werden, theoretisch wie empirisch ein Hauptaufgabenfeld“ 
(OSSENBRÜGGE & SANDNER 1994:683). 
Gemäß dem vielbemühten Leitbild des „Europas der Bürger“ scheint die europäische Integration 
nicht ohne eine solide Basis in Form von Akzeptanz und Unterstützung seitens der Bevölkerung auszu¬ 
kommen. In einem künftigen gemeinsamen „Haus Europa“, dessen Erdgeschoß von den Regionen, des¬ 
sen Obergeschoß von den Nationalstaaten und dessen Dach von den EU-Institutionen gebildet werden 
soll (LEINEN 1996), darf daher die Ebene der Gemeinden nicht zum Keller, sondern muß zum Funda¬ 
ment dieses Bauwerkes werden. Sind es doch letztere, die den Bürgern am nächsten sind und damit die 
notwendige Schnittstelle zu anderen Politikebenen bilden: „la démocratie locale constitue le fondement 
de toute vie publique démocratique des Etats“ [...] „les pouvoirs locaux ont un rôle fondamental à jouer 
dans la réalisation de LUnion Européenne. Ils permettent en effet d'apporter l'appui populaire que peu¬ 
vent susciter les responsables locaux, qui sont les élus les plus proches des citoyens“ (GATEAU 
1995:21). 
Nach WALK (1994:6) kann die Integration „sowohl als Prozeß, Funktion oder als Ziel verstanden 
werden, wobei rein politiktheoretisch darunter zunächst Prozesse der Bildung kleiner gesellschaftlicher 
Einheiten verstanden werden“. Diese kleinen Einheiten sind als Basis einer Integration „von unten“ 
(bottom-up) zu verstehen, die, im Gegensatz zu den bei der Realisierung des europäischen Binnenmark¬ 
tes oder der Währungsunion dominierenden top-down-Kiäft&n, eine größere Nachhaltigkeit und Akzep¬ 
tanz in allen Lebensbereichen erwarten läßt. Als solche Basisräume können insbesondere die Grenzräu¬ 
me der EU fungieren, die sich, bedingt durch den Bedeutungsverlust der Staatsgrenzen, in einem sehr 
„dynamischen Prozeß“ (GABBE 1992b:92) befinden: „Long sheltered and accordingly deprived of deve¬ 
lopment prospects, these border régions are now faced with an unprecedented readjustment constituting 
a major part of the process of ‘spatial rearrangement’ now taking place across the continent“ 
(Europäische Kommission 1995b: 39). 
Es sind insbesondere die unmittelbaren Grenzräume, die als „espaces de solidarité transcendant les 
barrières nationales“ (Préfecture de la Région Lorraine 1994:100) bereits die Entwicklung grenz¬ 
überschreitender Raumwahmehmungen und Alltagswelten eingeleitet haben. Anders als die räumlich 
i 
vgl. Renaissance der pays in Frankreich sowie die Rekommunalisierung wichtiger Aufgabenbereiche in der 
BRD (s. Kap. 4)
	        
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