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heitlich den Reaktionen gegenüber, die in Verträgen wie dem Karlsruher Abkommen völlig neue Per¬
spektiven für die kommunalen Akteure sehen.
Dieses Mißverhältnis ist sicherlich auch auf den Umstand zurückzuführen, daß bisher mangels Rati¬
fizierung und praktischer Umsetzung der Inhalte des Karlsruher Abkommens noch keinerlei Erfah¬
rungswerte vorhegen, die Aufschluß über die tatsächliche Reichweite des Vertrages geben könnten. So
ist das Instrument des Grenzüberschreitenden örtlichen Zweckverbandes vollkommen neu und kann
erst in der Umsetzung zeigen, inwieweit sich hier die kommunalen Perspektiven erweitern. Kritisiert
wird an den zwischenstaatlichen Abkommen, daß sie keinerlei konkrete Aussagen über die tatsächliche
Handhabe der von ihnen geschaffenen Organe treffen. Es fehlen Erlasse, Durchführungsverordnungen
oder VerwaltungsVorschriften, die finanz- und verwaltungstechnische Details regeln (AUTEXIER 1997).
Die daraus resultierende Rechtsunsicherheit ist Ursache für eine gewisse Zurückhaltung seitens der
potentiellen Nutzer der Abkommen. Nicht einmal ein Viertel der befragten Kommunen hat den Abschluß
einer Vereinbarung bzw. die Schaffung einer Einrichtung gemäß der o.g. Abkommen in Betracht gezo¬
gen. Diese zögerliche Haltung stellt womöglich einen größeren Hemmfaktor dar als die unzureichende
Rechtslage. Letztere zeigt sich auch noch in den Abkommen selbst bzw. in den von ihnen unberührt
bleibenden Bereichen. So klammert beispielsweise das Karlsruher Abkommen das Polizeirecht aus. Da
in Frankreich auch die kommunale Bauleitplanung dem Polizeirecht zugeordnet wird (s. Kap. 4.9), hat
diese Klausel eine sehr weitreichende Konsequenz für die Grenzgemeinden. Die - wie gezeigt sehr wich¬
tige - grenznachbarschaftliche Abstimmung der Bauleitpläne kann von französischen Gemeinden dem¬
nach nicht mit Hilfe der durch das Abkommen vorgesehenen Instrumente bzw. Einrichtungen wahrge¬
nommen werden (Autexber a.a.O.).
Trotz der elementaren juristischen Verbesserungen (s. Kap. 4) ist es keinem der Abkommen gelun¬
gen, das Problem der extremen Heterogenität der Vertragspartner und die damit zusammenhängenden
Einschränkungen für das ius contrahendi der Gemeinden zu lösen. Es liegt in der Verwaltungsstruktur
des Saar-Lor-Lux-Raumes begründet, daß auch weiterhin Kommunen im Rahmen ihrer grenzüber¬
schreitenden Aktivitäten als Partner regionaler Gebietskörperschaften, föderaler Länder bzw. Regionen
oder gar eines Nationalstaates auftreten müssen und hierbei oft durch die Unzulänglichkeit der ein¬
schlägigen Rechtsprechung behindert werden.
8.3.4 Sonstige Hemmfaktoren
Störfaktoren für eine erfolgreiche grenzüberschreitende Zusammenarbeit resultieren nicht nur aus
den dargestellten allgemeinen Rahmenbedingungen, sondern können sich auch in der unmittelbaren Zu¬
sammenarbeit der Akteure herauskristallisieren. Die Vermutung, daß beispielsweise sprachliche oder
mentalitätsbedingte Verständigungsprobleme die Kooperation behindern könnten, wird nur von wenigen
Befragten bestätigt (s. Abb. 33). In den meisten grenzüberschreitend arbeitenden Gremien existiert eine
gemeinsame „Arbeitssprache“. In der Agglomération Transfrontalière du PED ist dies Französisch, im
Europäischen Tal der Mosel das Letzebuërge sch bzw. der moselfränkische Dialekt und im Saar-
Rosselle-Raum Deutsch bzw. der rheinfränkische Dialekt. In letzterem Falle steht für die wenigen betei¬
ligten nicht-germanophonen Lothringer/innen in der Regel ein/e Dolmetscher/in zur Verfügung. Zwar
bestätigen zahlreiche Personen die Annahme, daß unterschiedliche Mentalitäten und kulturelle Umfelder
der Akteure beispielsweise bei der Konzeption neuer Projekte zu gewissen Verständigungsproblemen
führen können. Diese werden jedoch kaum als störend empfunden. Auch der Fall, daß die Kooperation
durch die unterschiedliche politische Couleur verantwortlicher Entscheidungsträger gehemmt wird, tritt
nur selten auf. Parteipolitische Animositäten bleiben bei der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit
üblicherweise ausgespart.
Als wichtigstes Hindernis für den reibungslosen Ablauf der gemeinsamen Projekte hat sich hingegen
der verwaltungstechnische Bereich und die hier auftretenden unterschiedlichen Arbeitsweisen heraus¬
kristallisiert. So wurden mehrfach Klagen laut über technische Probleme bei der gemeinsamen Verwal¬
tung europäischer Gelder, zeitliche Verzögerungen durch langwierige Haushaltsberatungen zur Auf¬