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7 Der Saar-Rosselle-Raum
7.1 Einleitung
Die Wortschöpfung Saar-Rosselle-Raum geht auf eine gemeinsame Initiative des Stadtverbandes
Saarbrücken und des Departement Moselle zurück, die 1994 ein grenzübergreifendes Kartenwerk für
das südliche Saarland und den Raum Moselle-Est vorlegten (MOSELLE/SVS 1994). Es war Produkt der
intensiven Zusammenarbeit zwischen dem Landkreistag des Saarlandes und dem Departement Moselle
(s. Kap. 3.3.2). Mit dem Stadtverband Saarbrücken, den angrenzenden Gebieten der Landkreise Saar¬
louis, Neunkirchen und des Saar-Pfalz-Kreises sowie dem Bereich des lothringischen Kohlenbeckens in
seiner ursprünglichen Ausdehnung (Moselle-Est) umfaßt dieser Raum ein Gebiet, das durch dreimaligen
Wechsel der Grenzziehung innerhalb der letzten 150 Jahre sowie eine gemeinsame, auf dem Steinkoh¬
lenbergbau basierende Industrievergangenheit gekennzeichnet ist. Die ökonomischen und „territorialen
Wechselbäder“ (BRÜCHER 1989:527) haben in diesem Raum in schicksalhafter Weise auch identitäts¬
stiftend gewirkt.
7.2 Räumlich-strukturelle Voraussetzungen
Der hier dargestellte Raum umfaßt etwa 1.650 km2 und zählt knapp eine Million Einwohner. Die
vergleichsweise hohe durchschnittliche Bevölkerungsdichte von knapp über 600 E/km2, die im Bereich
des Stadtverbandes einen Wert von 880 E/km2 erreicht, deutet bereits die stark städtische Struktur des
Raumes an. Der saarländische Verdichtungsraum (s. BMBau 1995a) konzentriert sich auf den grenz¬
nahen südlichen Landesteil in einem Dreieck zwischen der Saarachse Dillingen-Saarbrücken und dem
Raum Neunkirchen-St. Ingbert. Er findet seine Fortsetzung auf lothringischer Seite im sogenannten
„Kohlebecken“ (Bassin houiller) mit den Städten Forbach, Freyming-Merlebach und Saint-Avold sowie
dem oberen Saartal mit der Stadt Sarreguemines (s. Abb. 27).
Die Stadt Saarbrücken als Oberzentrum, deren City nur etwa 4 Kilometer von der Staatsgrenze ent¬
fernt liegt, strahlt mit ihrem Einzugsgebiet weit in den lothringischen Grenzraum aus. Ihre dortige An¬
ziehungskraft wird begünstigt durch die deutlich größere Entfernung zum nächsten französischen Ober¬
zentrum Metz, das durch das Plateau Lorrain, die dünnbesiedelte Hochfläche zwischen dem Moseltal
und dem Kohlebecken, vom Untersuchungsraum getrennt ist. Entscheidend jedoch für die grenzüber¬
schreitende Attraktivität Saarbrückens und seiner Nachbarstädte (v.a. Saarlouis und St. Ingbert) ist ein
deutliches wirtschaftliches Grenzgefälle, das sich in der großen Zahl von Arbeitspendlern ausdrückt.
Ein höheres Lohnniveau sowie ein größeres Angebot an Arbeitsplätzen bewirkten, daß im Jahre 1995
rund 9.500 Ostlothringerinnen und -lothringer (= 10,8 % der Erwerbstätigen in Moselle-Est) im Saar¬
land arbeiteten, während nur etwa 900 Saarländerinnen und Saarländer in Lothringen beschäftigt waren
(Statistisches Landesamt Rheinland-Pfalz 1994:57; CETE de l'Est l995a:32). Hinzu kommen
Einkaufspendler, die im Saarland bestimmte Produktgruppen, insbesondere Textilien und Unterhaltung¬
selektronik, nachfragen. Dieses grenzüberschreitende „Konsumverhalten“ wird von saarländischer Seite
„erwidert“ durch die starke Frequentierung des großflächigen lothringischen Einzelhandels, hier insbe¬
sondere der sogenannten Hypermarchés, zum Einkauf von Lebensmitteln, zunehmend aber auch im
Bereich Sportartikel und Heimwerkerbedarf. Der Anteil deutscher Kunden macht hier in der Regel 3-10
% aus, in Einzelfällen gar 50 % (CETE DE LEST 1995a:32). Eine weitere Form des Grenzgefälles wird
durch den lothringischen Grundstücks- und Immobilienmarkt hervorgerufen, der, zusammen mit den
steuerlichen Vorteilen in Frankreich, mehr und mehr Deutsche zur Wohnsitznahme in Lothringen veran¬
laßt. Am Ende des Jahres belief sich der Anteil der deutschen Einwohner an der Gesamtbevölkerung des
lothringischen Teils des Saar-Rosselle-Raums auf 1,9 % bzw. rund 5000 Personen, mit steigender Ten¬
denz (CETE DE LEST 1995b). Die Konsequenzen, wie steigende Immobilienpreise, Integrationsproble¬
me und wachsende grenzüberschreitende Verkehrsströme können hier nur angedeutet werden. Sie gehö¬
ren jedoch zu den Motivationen für die Bemühungen um eine gemeinsame Siedlungs- und Landschafts¬