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5 Die Agglomération Transfrontalière du Pôle Européen de Développement
(PED) Longwy-Rodange-Athus
5.1 Einleitung
Die sogenannte Agglomération Transfrontalière im Dreiländereck Belgien-Frankreich-Luxemburg
ist als Nachfolgeprojekt aus dem Pôle Européen de Développement (PED) hervorgegangen. Es handelte
sich hierbei um ein in Europa einmaliges, trinationales Vorhaben, das im Zeitraum 1985-1995 zur wirt¬
schaftlichen Wiederbelebung des ehemaligen Eisen- und Stahlreviers im Raum Longwy (F), Athus (B)
und Pétange (L) beitrug. Mit erheblicher finanzieller Unterstützung der EU konnte auf den ca. 500 ha
großen Brachflächen der Eisen- und Stahlindustrie im Tal der Chiers ein trinaüonaler Gewerbepark, der
Parc International d'Activité (PIA), geschaffen werden. In diesem Bereich sowie auf umliegenden, z.T.
neu erschlossenen Gewerbeflächen wurden etwa 5.500 industrielle Arbeitsplätze geschaffen, städtebau¬
liche, ökologische und kulturelle Aspekte jedoch weitestgehend vernachlässigt. Auch blieben die wirt¬
schaftlichen Erfolge trotz enormer finanzieller Anreize für sich ansiedelnde Unternehmen weit hinter den
Erwartungen zurück (8.000 Arbeitsplätze hätten entstehen sollen). Zudem trat erwartungsgemäß auch
das Phänomen der sogenannten »Prämienjäger“ auf, d.h. eine Reihe von Betrieben verließ wenige Jahre
nach der Ansiedlung den PED, um andernorts abermals in den Genuß öffentlicher Fördergelder zu
kommen...60 (PIERRET 1991; SCHULZ 1994, 1996; SOUTIF 1994). Aus dem Unmut über die einseitige
industriewirtschaftliche Ausrichtung des Programmes erwuchs die Initiative der Grenzgemeinden, fortan
stärker Einfluß auf die Entwicklung ihres Grenzraumes zu nehmen. Leitbild der Kooperation ist die
Schaffung einer Agglomération Transfrontalière, die langfristig die Gestalt eines Stadtverbandes
(Communauté urbaine) annehmen soll. Diese Projektidee wurde von den am PED beteiligten National¬
staaten begrüßt und 1993 in einer gemeinsamen Resolution zum Folgeprojekt des PED erklärt (s.u.).
5.2 Räumlich-strukturelle Voraussetzungen
Das Projektgebiet umfaßt eine Fläche61 von etwa 300 km2 und zählte im Jahre 1995 etwa 112.000
Einwohner (s. Abb. 21). Die daraus resultierende Bevölkerungsdichte von 372 E/km2 beträgt weniger
als ein Fünftel der Dichte in der Agglomération de Metz62 oder weniger als ein Achtel des Wertes für
den Stadtverband Saarbrücken. Hier wird der noch stark ländliche Charakter dieser „Agglomeration“
deutlich, die lediglich in ihrem Kernbereich zwischen Longwy (16.000 Einwohner), Mont-St.-Martin
(9.000), Pétange (12.000) und Aubange/Athus (14.000) und den dazwischenliegenden (ehemaligen)
Industriebrachen städtische Strukturen aufweist. Insgesamt 82 % des Gebietes sind dagegen land- oder
forstwirtschaftlich genutzt (OBSERVATOIRE 1995). Dennoch manifestiert sich im beschriebenen Grenz¬
dreieck die Notwendigkeit zur grenzüberschreitenden Zusammenarbeit in sehr eindrucksvoller Weise:
Nicht nur die Industriebrachen im Tal der Chiers und die damit zusammenhängenden Folgeprobleme
stellen ein Bindeglied dar, sondern auch die Ortslagen selber, die im Falle von Longlaville (F), Rodange
(L) und Athus (B) quasi ineinander übergehen und die Staatsgrenzen kaum noch als physisch wahr¬
nehmbare Demarkationen erscheinen lassen. Etwas weiträumiger betrachtet befindet sich das gesamte
Gebiet im näheren Einzugsbereich des Oberzentrums Luxemburg/Stadt (Entfernung Longwy-
Luxemburg: 30 km), was sich nicht nur in der großen Zahl der Berufspendler widerspiegelt, die sich
täglich von Südluxemburg, aber in besonderer Weise auch von den lothringischen und belgischen
60 In einem Extremfall kam es sogar zu einer „vorgetäuschten“ Ansiedlung eines britischen Unternehmens,
das gar nicht wirklich produzierte und auch die neu geschaffenen, vom PED bezuschußten Arbeitsplätze
nur fingierte. Der Geschäftsführer wurde kürzlich wegen Veruntreuung öffentlicher Gelder zu drei Jahren
Haft verurteilt (s. Républicain Lorrain v. 24.10.1996)
61 davon ca. 50 % in Frankreich, 20 % in Belgien und 30 % in Luxemburg
62 meint den Zuständigkeitsbereich der Agence d'Urbanisme de l'Agglomération Messine (86 km2, 176.300 E)