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2. Die endgültige Aufhebung der Zünfte und ihre
Folgen.
Die Erwartungen der Mainzer erwiesen sich jedoch als
trügerisch. Infolge geheimer Abmachungen zogen die Öster¬
reicher Mitte Dezember ihre Truppen aus Mainz zurück, und
die Franzosen näherten sich der Stadt. Der Kurfürst musste
die Festung übergeben, und so besetzten gemäss einer Zivil¬
und Militärkapitulation die feindlichen Truppen am 30. De¬
zember 1797 Mainz.268)
Gross war die Bestürzung und das Entsetzen der Main¬
zer Handwerker. Mit der Abreise des Kurfürsten, des Adels,
der Geistlichkeit und der Beamten sahen sie mit einem Schlage
die Quellen ihres früheren Wohlstandes für immer versiegen.
Dazu kam noch, dass mit der Einnahme von Mainz durch die
Franzosen die Gefahr der Zunftauflösung in unmittelbare Nähe
gerückt war.
Sofort nach der Besetzung begannen die neuen Macht¬
haber die städtischen Einrichtungen nach fränkischem Vorbilde
umzugestalten. Mainz wurde französisiert. Auf Grund des Ge¬
setzes vom 7. September 1795269) wurde am 14. Januar 1798
von dem Regierungskommissar Rudler die städtische Verwal¬
tung aufgehoben und eine Munizipalität errichtet. Ausserdem
wurde unter Bezugnahme auf das Gesetz vom 14. Juni 1791
die Aufhebung sämtlicher Zünfte verfügt.270) Das Zunftver¬
mögen verfiel der Beschlagnahmung. Die Handwerksladen mit
den Artikeln und Protokollen, die Kirchenfahnen, Grabtücher
und Wachskerzen zum Gebrauche beim Gottesdienst wurden
weggenommen und einige Tage später öffentlich versteigert.2'1)
An die Stelle der Zunftverfassung trat das Patentsystem. Je¬
der Bürger, der ein Handwerk betreiben wollte, musste ein
Gewerbepatent lösen, die gesetzlichen Abgaben entrichten und
die erlassenen Vorschriften beobachten. Die Behauptung
Bockenheimers, die verschiedenen Schiffer- und Karcherziinfte
seien von der Auflösung verschont geblieben, findet nirgends
eine Begründung.272)
Was die Zunftmeister nicht zu ahnen gewagt hatten, war
nun Wirklichkeit geworden. Die Zunftform lag zerschlagen
am Boden, alle Gerechtsamen hatten damit ihre Be¬
deutung verloren. Die Meisterzahl, der keine Grenzen gesetzt
288) Bockenheimer: Geschichte der Stadt Mainz (1798—1814) S. 6.
■’U9) Bockenheimer: F. K. Macke S. 59 f.
27°) Bockenheimer: Geschichte der Stadt Mainz S. 339 f.
271) Mainzer Chroniken III.
272) Bockenheimer: Geschichte von Mainz S. 340.