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Einleitung
in der umstehenden Gegenstandswelt vermeinten Gegenstände die ganze
Fülle der Gedankengebilde verschiedener Art, die wir oben zum Teil nam¬
haft gemacht haben. Die Phänomenologie verlegt nun zunächst den Augen¬
punkt ihrer Betrachtung in das denkende Subjekt hinein und visiert von
dieser Stelle aus auf die Gegenstände innerhalb der Gegenstandswelt dieses
denkenden Subjekts; sie erfaßt dann die Gedanken und die Meinungen, die
dieses denkende Subjekt über die Gegenstände hegt, und enthält sich dabei
jeder Stellungnahme zu diesen Meinungen, indem sie zugleich auch die Ge¬
genstände und die Gegenstandswelten nur als die so und so von diesem Sub¬
jekt vermeinten Gegenstücke seines denkenden Bewußtseins nimmt, ohne
sich selbst irgendeine jenseitige Erkenntnis dieser Gegenstände zu erlauben.
Denn nur von dem Augenpunkt jenes denkenden Subjekts aus und nur als
intentionale Gegenstücke dieses Bewußtseins sind ihr von ihrem Standpunkt
aus diese Gegenstände sichtbar. Sie läßt deshalb auch alles anderweitig ge¬
wonnene Wissen und alle Wissenschaften von diesen Gegenständen beiseite,
weil sie sich gedanklich vor den Anfang aller solchen Wissenschaft versetzt.
Von jenem in das denkende Subjekt verlegten Augenpunkt aus schaut sie
aber nun nicht nur auf die intentionalen Gegenstände und die Meinungen
dieses Subjekts, sondern vor allem auf die Bewußtseinsakte, die jenen Gegen¬
ständen und Meinungen zugehören, und dann auf die Gegebenheitsweisen
der Gegenstände und auf die Denkweisen der Meinungen hin. Das Subjekt
hingegen, in das sie ihren Augenpunkt verlegt, läßt sie in sich unbeachtet
zurück. So schauend inventarisiert sie zunächst, was es da innerhalb des so
abgesteckten Gesichtskreises alles zu sehen gibt. Die Frage nach der Realität
des so Erschaubaren stellt sie, auch hinsichtlich der Bewußtseinsakte, über¬
haupt nicht, sondern achtet nur auf das Was und die Beschaffenheiten, sowie
auf die gegenseitigen Relationen des da Vorfindlichen. Zur behutsamsten
und rücksichtsvollsten Beschreibung des Geschauten tritt dann vor allem die
Aufsuchung der wesentlichen und notwendigen Zusammengehörigkeiten in
den verschiedenen unterscheidbaren Schichten des geschauten Ganzen, und
zwar sowohl zwischen den Elementen einer und derselben Schicht, als auch
zwischen den Elementen verschiedener Schichten. Insbesondere wird diejenige
Beziehung, in der gewisse Elemente oder Komplexe zu gewissen anderen als
ihrer letztlich abschließenden Erfüllung und Grundlegung stehen, genauer
und vorsichtig vortastend verfolgt. So durchschreitet die Phänomenologie
unaufhörlich die verschiedenen Sphären; nämlich die der Denkakte, des
Gegenstandsbewußtseins, der Meinungen und der intentionalen Gegen¬
stände.