Einleitung
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tatsächlich vorliegt, so finden wir, daß sie trotz aller Verschiedenheiten im
einzelnen doch überall zu ihrem Gegenstände die Begriffe, die Urteile und
die Schlüsse hat. Es mögen dabei das eine Mal die Schlüsse im Vordergrund
der Betrachtung stehen, die Urteile dagegen nur als Bestandteile der Schlüsse
und die Begriffe nur als Bestandteile der Urteile der Untersuchung unter¬
zogen werden; oder es mögen ein andermal die Urteile in den Mittelpunkt
gestellt, die Begriffe dagegen als Bestandteile der Urteile und die Schlüsse
als bestimmtgeartete Zusammenhänge von Urteilen betrachtet werden, es
sind doch immer die Begriffe, die Urteile und die Schlüsse, die den eisernen
Bestand jeder bisher aufgetretenen Logik ausmachen.
Die Urteile nun sind nichts anderes, als eine besondere Art von Gedanken,
nämlich Gedanken, die etwas behaupten. Urteile sind Produkte des Den¬
kens, sind also der Gedankengehalt bestimmter Denkakte, der in bestimmten
sprachlichen Sätzen zum Ausdruck gebracht wird. Urteile sind notwendig
bezogen auf irgendwelche Gegenstände, über die sie etwas behaupten. Kurz,
sie liegen genau an der Stelle, wo die Gedankengebilde im Ganzen des auf
Gegenstände bezogenen, in bestimmten sprachlichen Formen ausgedrückten
Denkens von denkenden Wesen liegen. Die Begriffe aber, unterschieden von
den sprachlichen Wörtern, sind nichts anderes als die Gedankenelemente, aus
denen die Urteile und alle anderen Gedanken bestehen. Die Schlüsse schlie߬
lich erweisen sich bei genauerem Zusehen als bestimmtgeartete Gedanken¬
verbindungen, eben als solche, in denen aus einem oder mehreren Urteilen
ein anderes Urteil geschlossen wird. Die Logik ist also tatsächlich bisher
immer eine systematische Wissenschaft von Gedanken gewesen. Nur hat sie
eben ausschließlich die behauptenden Gedanken, also weder die Fragen, die
Annahmen, Vermutungen und dergleichen, noch jene anderen Gedanken,
die wir Wertungen, Kritiken, Würdigungen, Bitten, Ratschläge, Mahnun¬
gen, Warnungen, Entschlüsse, Vorsätze, Vorschriften, Gebote, Verbote, Be¬
fehle, Gesetze nennen, in den Umkreis ihrer Betrachtung gezogen. Sie ist
also in der Tat nicht eine Lehre vom Denken, als einem seelischen Vorgänge,
sondern immer ein bestimmter Teil einer systematischen Wissenschaft von
den Gedanken gewesen. Es ist aber kein in der Sache liegender Grund er¬
sichtlich, warum die Logik sich für immer auf die spezielle Gruppe der be¬
hauptenden Gedanken, auf deren Elemente und Zusammenhänge beschränken
sollte. Sie wird sich daher in Zukunft notwendig über das ganze Gebiet der
Gedanken ausdehnen und mit jener oben charakterisierten systematischen
Wissenschaft von den Gedanken zusammenfallen müssen. Vorläufig werden
wir die überlieferte Logik als die Logik im engeren Sinne von der Logik im