Einleitung
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duellen, so kann man die Gedanken nicht durch eine auf das individuelle,
reale Denken gerichtete ideierende Abstraktion gewinnen. Vielmehr würde
man auf diesem Wege immer nur zu gewissen Arten oder Gattungen des
Denkens, dieses seelischen Tuns, gelangen. Keinerlei psychologische Be¬
obachtung oder Erkenntnis wird daher jemals Gedanken entdecken können.
Wollen wir dabei bleiben, die Gedanken als Produkte des Denkens zu be¬
zeichnen, das Verhältnis des Denkens zu den Gedanken also als ein Pro¬
duktionsverhältnis zu betrachten, so müssen wir doch zugleich hervorheben,
daß dieses Produktionsverhältnis ein absolut eigenartiges ist, das nicht mit
irgendeinem anderen derartigen Verhältnis identifiziert werden darf, sondern
in seiner einzigen Eigenart unberührt anerkannt werden muß.
Eine systematische Wissenschaft von den Gedanken wird also diesen eigen¬
artigen Denkprodukten gegenüber die Aufgabe haben, das Wesen und die
Arten der Gedanken zu erkennen; ihre letzten Elemente, aus denen sie auf-
gebaut sind, herauszustellen; die Arten und die Gesetze des Aufbaues der
verschiedenen Gedankenarten zu erforschen und die verschiedenartigen Ver¬
hältnisse, Beziehungen und Zusammenhänge, in denen Gedanken gleicher
und verschiedener Art zueinander stehen, zu untersuchen.
Freilich ergeben sich sogleich zwei verschiedene Gesichtspunkte der Er¬
forschung der Gedankenwelt. Man kann einmal jeden Hinblick auf die ästhe¬
tischen Wertqualitäten und die verschiedenen Stilarten der Gedanken unter¬
lassen und die Gedanken rein theoretisch untersuchen. Man kann aber dann
gerade speziell die Wertqualitäten und die Stilarten der Gedanken ins Auge
fassen und erforschen, wie diese durch die verschiedenartigen Formen und
Zusammenhänge der Gedanken begründet sind. In diesem Falle zielt man auf
die Gewinnung einer Ästhetik und Stillehre der Gedanken. Im ersteren Falle
dagegen erstrebt man eine rein theoretische, systematische Wissenschaft von
den Gedanken. Dieser theoretischen Wissenschaft allein sei im folgenden
unsere Betrachtung gewidmet.
Zusammenfassung: Wenn man also die naiv-expressionistische Art des
Denkens verläßt; wenn man aufhört, ausschließlich den Gegenständen des
Denkens zugewandt zu sein und die Gedanken nur unbeachtet nebenbei zu
produzieren und sprachlich auszudrücken; wenn man dann auch über das
kritisch-forschende Denken des Wissenschaftlers hinausgeht, der schon einen
Nebenarm seiner, den Gegenständen zugewandten, Beachtung abgespalten
und auf seine produzierten Gedanken über die Gegenstände zurückgebeugt
hat; wenn man nämlich nun den Hauptarm der Beachtung ganz auf die ge¬
dachten Gedanken zurückbeugt, ohne jedoch die Gegenstände, auf die sich