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Die Lehre von den Schlüssen
wahr sind, so folgt doch das zweite Urteil nicht unmittelbar aus dem ersten.
Dennoch kann in dem Satz ein folgerichtiger Schluß ausgedrückt sein, wenn
noch ein drittes, sprachlich unterdrücktes Urteil zu den beiden Urteilen hin¬
zugedacht ist. Die erste logische Aufgabe gegenüber jenem Satz besteht also
darin, ihn so zu ergänzen, bis er den folgerichtigen Schluß vollständig zum
Ausdruck bringt. Tun wir dies, so lautet der Schluß: »Gold ist schwerer als
Wasser; alle Körper, die schwerer als Wasser sind, sinken im Wasser unter;
folglich sinkt Gold im Wasser unter.« Nun gilt es zu erkennen, daß dieser
Schluß nicht deshalb folgerichtig ist, weil die erste Prämisse und der Schlu߬
satz sich speziell auf Gold beziehen und von dem Gold gerade dies speziell
behaupten, daß es schwerer als Wasser sei und im Wasser untersinke; auch
nicht deshalb, weil die zweite Prämisse sich speziell auf alle Körper, die
schwerer als Wasser sind, bezieht und von ihnen gerade dies behauptet, daß
sie im Wasser untersinken; sondern nur deshalb, weil die drei in dem Schlüsse
enthaltenen Urteile sich unabhängig von der besonderen Natur der Sub¬
jektsgegenstände und der Sachverhalte in bestimmter Weise zueinander ver¬
halten. Dies bestimmte Verhältnis der Urteile zueinander, das den Schluß
zu einem folgerichtigen macht, ist festzustellen. Es ist dann weiter zu er¬
forschen, ob nicht auch andere Arten von Verhältnissen der Urteile zuein¬
ander die Folgerichtigkeit der aus ihnen gebildeten Schlüsse begründen kön¬
nen, und welche Arten es davon überhaupt gibt. Kurz, die Logik der Schlüsse
hat festzustellen, in welchen Arten und Weisen die verschiedenen Arten von
Urteilen zu folgerichtigen Schlüssen vereinbar sind.
Die logische Schlußlehre hat dagegen nichts mit der Art und Weise zu
tun, in welcher der Mensch seine Schlüsse vollzieht. Es ist vielmehr die Auf¬
gabe der Psychologie des Schließens, die Arten und Gesetze des menschlichen
schließenden Denkens aufzufinden. Die Logik ist auch in diesem Abschnitt
nicht nur von der Psychologie verschieden, sondern auch völlig unabhängig
von ihr. Dagegen kann die Psychologie das schließende Denken nicht unter¬
suchen, ohne die Logik derjenigen Schlüsse, die in jenem Denken vollzogen
werden, vorauszusetzen.
Die Logik der Schlüsse gliedert sich naturgemäß in die Lehre von den
unmittelbaren und in die Lehre von den mittelbaren Schlüssen. Da die un¬
mittelbaren Schlüsse die einfacheren sind, weil sie nur aus zwei Urteilen
bestehen, so geht die Lehre von den unmittelbaren der Lehre von den mittel¬
baren Schlüssen voran.