Sätze Über die Wahrheit und Falschheit von Urteilen
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darin besteht, daß er mit sich selbst identisch ist, so muß jedes Urteil, das
seinem Sinn entsprechend irgendeinen Gegenstand mit sich selbst in die
Sacheinheit der Identität setzt, notwendig wahr sein. Solche Urteile sind aber
nur die positiven Bestimmungsurteile, die besagen, was der Gegenstand ist.
Nur diejenigen positiven Bestimmungsurteile kommen jedoch hier in Be¬
tracht, in denen der Prädikatsbegriff genau denselben Gegenstand, wie der
Subjektsbegriff meint, in denen also der Prädikatsbegriff mit dem Subjekts -
begriff identisch oder gleich ist. Hieraus ergibt sich die Gültigkeit des Satzes
von der Identität in der Form: »Jedes positive Bestimmungsurteil mit iden¬
tischem oder gleich Subjekts- und Prädikatsbegriff ist notwendig wahr.«
Ein Urteil ist falsch, wenn es dem Verhalten des von ihm betroffenen
Gegenstandes widerspricht. Da nun jeder beliebige Gegenstand notwendig
mit sich selbst identisch ist, so muß jedes Urteil, das diesem allgemeinen
Verhalten der Gegenstände widerspricht, notwendig falsch sein. Negative
Bestimmungsurteile, in denen Subjekts- und Prädikatsbegriff identisch oder
gleich sind, widersprechen durch ihren Sinn diesem allgemeinsten Verhalten
ihrer Gegenstände, indem sie ihre Gegenstände in der Identitätshinsicht von
ihnen selbst abspreizen. Es gilt also auch der Satz: »Jedes negative Bestim¬
mungsurteil mit identischem oder gleichem Subjekts- und Prädikatsbegriff
ist notwendig falsch.«
Irgendein Gegenstand, der sich in bestimmter Weise verhält, macht not¬
wendig dasjenige Urteil wahr, das ihm dieses Verhalten gedanklich positiv
zuordnet. Es kann nun in einem Urteil der Subjektsbegriff seinem Gegen¬
stand ein bestimmtes Verhalten, sei es bloß kenntlichmachend oder implizite
behauptend, schon zuordnen, so daß der Gegenstand mit diesem Verhalten
dem weiteren Urteil unterliegt. Wenn dann das weitere Urteil demselben
Subjektsgegenstand genau dasselbe Verhalten, das ihm der Subjektsbegriff
schon zugeordnet hat, positiv behauptend hinzusetzt, so ist dieses Urteil not¬
wendig wahr. Nun ist dieses Urteil ein positives, in welchem der Prädikats¬
begriff etwas meint, was schon im Subjektsbegriff mitgemeint ist, in welchem
also der Prädikatsbegriff schon im Subjektsbegriff enthalten und in diesem
Sinne partiell mit ihm identisch oder gleich ist. Kurz, es ist ein positives
»analytisches« Urteil, da sein Prädikatsbegriff durch Analyse des Subjekts-
begriffs gewonnen werden kann. Solche Urteile brauchen aber nicht notwen¬
dig Bestimmungsurteile zu sein; sie können offenbar auch Attributions¬
urteile, Seinsurteile und Relationsurteile irgendwelcher Art sein. Jedes be¬
liebige positive Urteil also, dessen Prädikatsbegriff »partiell« identisch oder
gleich ist seinem Subjektsbegriff, also jedes positive analytische Urteil ist