Einleitung
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Gedanken werden, bilden diese Gegenstände doch nicht Bestandteile dieser
auf sie gerichteten Gedanken, sondern liegen immer jenseits ihrer. Man kann
daher sagen, es liegt im Wesen der Gedanken, ihnen selbst jenseitige und in
diesem Sinne transzendente Gegenstände zu haben. Die Zielung auf Gegen¬
stände aber ist den Gedanken ihrem Wesen nach immer immanent.
Zieht man einen einzelnen Denkfaden aus dem seelischen Leben des Men¬
schen heraus, so erweist sich also, daß er auf der einen Seite notwendig mit
dem denkenden Subjekt zusammenhängt, während er auf der anderen Seite
ebenso notwendig einen bestimmten Gedankengehalt hat und durch diesen
hindurch notwendig auf einen Gegenstand hinzielt. Auf welchen Gegenstand
das Denken und sein Gedankengehalt im gegebenen Falle hinzielt, das
hängt ganz und gar von dem Gedankengehalte selbst ab. Es können freilich
dem Denksubjekt auf Grund anderer Akte (z. B. Wahrnehmungen, Erinne¬
rungen, Vorstellungen) mehrere Gegenstände gleichzeitig vor Augen stehen,
aber aus diesen greift sein Denken durch seinen Gedankengehalt diese oder
jene gedanklich heraus, die dann damit erst die intentionalen, und doch
immer jenseits bleibenden, Gegenstände dieses Denkens und dieser Gedanken
werden.
Nicht isoliert jedoch findet das Denken im seelischen Leben des Menschen
gewöhnlich statt, sondern meistens begleitet und verbunden mit anderen
Arten des Gegenstandsbewußtseins und mit anderen bestimmten, ebenfalls
auf Gegenstände gerichteten Arten von Tätigkeiten. So nimmt der Mensch
vielleicht, während er denkt, zugleich eine Mehrheit von Gegenständen wahr.
Verstehen wir nun unter dem Wahrnehmen das Vor-sich-Haben ursprünglich
und leibhaftig gegebener Gegenstände, so ist dieses Wahmehmen noch kein
eigentliches Denken, und es ist auch nicht notwendig von einem Denken
durchdrungen, sondern es kann ein ganz gedankenloses »Hinsehen« auf die
Gegenstände sein. Auch dann, wenn nun einer der wahrgenommenen Gegen¬
stände zum Gegenstand des Denkens wird, so ist das auf den Gegenstand
bezogene Denken von der Wahrnehmung des Gegenstandes verschieden,
wenn es auch hier in besonderer Weise mit ihr vereint ist. Die Wahrnehmung
bildet im gegebenen Falle die Grundlage für das auf den wahrgenommenen
Gegenstand bezogene Denken. Sie kann zugleich, wenn sie sich zur Wahr¬
nehmung der Sachverhalte erweitert und vertieft, die erfüllende und be¬
stätigende Grundlage für das Denken abgeben. Aber sie ist in keiner Weise
die notwendige Voraussetzung für das Denken, selbst nicht für das Denken
genau derselben Gedanken, die auf ihrer Grundlage vollzogen und erfüllt
wurden. Das Denken kann vielmehr ohne jedes Wahrnehmen stattfinden.