2. Die dialektische Geschichtsphilosophie
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z. B. die klassische Philologie, die Literatur- und Kunstwissenschaft
in ihren verschiedenen Zweigen, die Wissenschaften vom Recht und
vom Staat, von der Wirtschaft und der Technik, der Religion und
dem allgemeinen gesellschaftlichen Leben, sowohl in formaler und
methodischer Hinsicht als auch in inhaltlicher Beziehung zutage
gefördert haben, das kann und darf die Philosophie auf keinen Fall
außer acht lassen, sobald sie sich wieder auf ihre metaphysischen
Aufgaben und Pflichten besinnt und eine allgemeine, nicht bloß die
Naturwirklichkeit berücksichtigende metaphysische Deutung des ge¬
samten Lebens in Angriff nimmt. Stets hat eine im wissenschaft¬
lichen Geiste betriebene Metaphysik in einer engen und ergebnis¬
reichen Verbindung mit den konkreten und positiven Wissenschaften
gestanden. Diese Verbindung bildet geradezu eines der Kennzeichen
für die Wissenschaftlichkeit der Metaphysik. Und wir wollen niemals
übersehen, daß jeder Klassiker der Philosophie in einem ganz nahen
Verhältnis zu einer bestimmten positiven Wissenschaft stand und
diese als eine der inhaltlichen Voraussetzungen für seine Systematik
verwendete. Nicht in letzter Linie besitzt die Metaphysik in dieser
Beziehung ein Unterscheidungsmerkmal gegenüber allem Dilettan¬
tismus und aller nur aus Liebhabereien hervorgehenden Beschäf¬
tigung mit der Metaphysik.
Solange Mathematik und Naturwissenschaften sich sowohl in
ihrer Ausbildung als auch in bezug auf ihr Ansehen in dem unbe¬
strittenen Besitz wissenschaftlicher Alleinherrschaft befanden und
sozusagen den Geist der Wissenschaftlichkeit konkurrenzlos ver¬
körperten, war es ebenso natürlich wie geboten, daß die Metaphysik
sich vornehmlich auf jene Wissenschaften bezog und unter Inan¬
spruchnahme ihrer Hälfe ein Weltbild von mathematisch-natur¬
wissenschaftlicher Prägung aufbaute. Wie im Mittelalter keine
Frage darüber aufkommen konnte, ob noch neben der Theologie
eine andere Wissenschaft zur Verwendung in philosophischer Hinsicht
in Betracht zu ziehen wäre, so galt es während der Aufklärung als
selbstverständlich und unabweisbar, daß in erster Linie Mathematik
und mathematische Naturwissenschaften für die Zwecke der Philo¬
sophie heranzuziehen seien. Die Geschichte der Philosophie wird
zu einem Hauptteil durch das Verhältnis bestimmt, in welchem die
Metaphysik eine bestimmte positive Wissenschaft benutzt. Der
Wandel In diesem Verhältnis führt auch zu einer Abwandlung in
der Geschichte der Philosophie, wenngleich diese Abwandlung natür¬
lich nicht ausschließlich von dem Charakter dieses Verhältnisses