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VII. Die Erneuerung der Dialektik in der Gegenwart
besagt, so enthält er dennoch seinem Wesen nach im Prinzip „den
Ziel-, Sinn- und Maßstabsgedanken“. „Es ist daher möglich und
nötig, den Entwicklungsbegriff vereinzelt und für sich einer rein
logischen Untersuchung zu unterziehen, wo sich zeigen wird, daß
schon in den ersten und einfachsten logischen Voraussetzungen und
Anwendungen die Richtung auf den Gedanken einer universal-
historischen Entwicklung steckt“ (S. 656).
Und wie er diese Entwicklung im dialektischen Sinne auffaßte und
ihren Begriff für die Eigentümlichkeiten und Zwecke der Historik
dann als passend anerkannte, wenn er dialektisch verstanden wurde,
also in strenger Gegensätzlichkeit zu jeder eindeutig mechanistischen,
statischen, kausal-rationalistischen Auffassung des historischen
Geschehens, so war er auch darauf eingestellt und bedacht, diese
Dialektik bei den von ihm behandelten Denkern und Geschichts¬
forschern zu unterstreichen und herauszuarbeiten. Er rühmt Hegels
Philosophie darum, weil sie auf Grund ihrer Dialektik „die erste
große Theorie der historischen Dynamik“ darstelle (S. 241). Denn
auf diese Weise gelinge es Hegel, die Pflicht jedes großen Historikers
und Geschichtsphilosophen zu erfüllen, nämlich den „Pulsschlag des
Lebens“ zu erlauschen. In ihr zittert dieser Pulsschlag, zittert seine
Rhythmik wieder. Er erblickt in dieser Dialektik „das Abstraktum
der historischen Bewegung an sich mit dem Versuch, daraus einen
festen logischen Begriff zu schaffen. Alles andere ist in Abwandlung
ihrer oder im Gegensatz zu ihr erwachsen, ohne daß sie dabei jemals
vollständig beseitigt worden wäre. Ihre Form ist zerbrochen, aber
ihre Motive leben fort.“ Sie äst also die philosophische Methode und
Formulierung für„das schon in derempirischen Forschungverborgene
logisch-dynamische Element“, dessen universale Bedeutung durch
sie und in ihr erfaßt und nutzbar gemacht wird. „An den Begriff
der historischen Dialektik ist daher alle Untersuchung über historische
Dynamik anzuknüpfen“ (S. 241—242). Nichts Geringeres leistet sie,
als daß sie den Gedanken der lebendigen Einheit des Geschehens ver¬
bindet mit dem nicht minder wichtigen Gedanken der individuellen
Besonderheit realer und gegensätzlicher Gestaltungen. So ist erst
durch sie der Begriff des historischen Werdens in seiner Eigentüm¬
lichkeit zu logischer Fassung gelangt (S. 246—247). „Denn das
Wesentliche in der Geschichte ist für ihr Verständnis das Gesetz
der Bewegung selbst, in dem Individuelles und Allgemeines an
jedem Punkt ursprünglich und konkret vereinigt ist und doch alles
einzelne aus der Bewegung hervorgeht und in die Bewegung zurück¬