Full text: Grundlegung der Dialektik

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VII. Die Erneuerung der Dialektik in der Gegenwart 
Vorbereitern für eine vertiefte Beschäftigung mit dem Problem der 
Dialektik. Das ist der Gewinn, den die Wendung zur Dialektik aus 
Diltheys Bemühen um eine Erkenntnistheorie der Geisteswissenschaf¬ 
ten ziehen muß. Er hat sozusagen die Stimmung für jene Wendung 
mitgeschaffen, indem er die Problematik der historischen Erkenntnis 
aufdeckte. In der Philosophie der Gegenwart werden Mittel und 
Wege zur Überwindung des historischen Standpunktes gesucht. Aber 
ebenso wie dieser aus der geschichtlichen Entwicklung folgerichtig 
hervorgegangen ist, so dient er der Systematik auch als negative 
Instanz und als Antrieb zur Beseitigung des in ihr enthaltenen 
Relativismus, von dem ja jede lebendige philosophische Arbeit aus 
inneren Motiven wegstrebt. Auf unseren Fall angewendet, läßt sich 
diese Entwicklung folgendermaßen kurz kennzeichnen: Es handelt 
sich um die Wandlung von einer im historistisch-relativistischen Sinne 
verstandenen Dialektik und Antinomik zu einer Auffassung und 
zu einem Gebrauch derselben in einem logischen und logisch-konsti¬ 
tutiven, d. h. kategorialen Sinne. Die Erkenntnis der von Dilthey 
immer wieder formulierten und oft in ergreifender Nachdrücklichkeit 
ausgesprochenen Divergenz zwischen der grundsätzlich aufrecht¬ 
zuerhaltenden rationalen Form der Wissenschaft und der mit allen 
Zügen der Individualität behafteten Irrationalität des Lebens bildet 
eine entscheidende Voraussetzung für die Erneuerung der Dialektik 
in der Gegenwart. Und wir haben weiter oben bereits versucht, zu 
zeigen, inwiefern diese Art der Dialektik sich unterscheidet von den 
früheren, sozusagen klassischen Formen. 
2. Das Interesse am dialektischen Denken und die mehr oder 
minder deutlich ausgeprägte Hinwendung zu ihm sind begreiflicher¬ 
weise überhaupt jenen Forschern und Denkern eigen, die von den 
Geisteswissenschaften herkommen, und deren Gedankenbildungdurch 
diese Wissenschaften beeinflußt ist. Ich möchte in diesem Zusammen¬ 
hang zunächst nun auf Ernst Troeltsch das Augenmerk lenken. 
Bezeichnenderweise ist sein im Jahre 1922 erschienenes umfang¬ 
reiches Werk ,,Der Historismus und seine Probleme“ außer Wilhelm 
Windelband auch Wilhelm Dilthey gewidmet. Von diesem hat er 
die historische Methode gelernt und übernommen, von der er im 
Verlauf seiner geistigen Entwicklung und im Anschluß an den all¬ 
gemeinen Wandel zur strengeren Systematik allerdings wegstrebte, 
ohne diese Absicht planmäßig verwirklichen zu können. Dafür ist 
sein nachgelassenes, von ihm aber noch wortwörtlich ausgearbeitetes 
Werk ,,Der Historismus und seine Überwindung“ (1924) ein hin¬
	        
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