3. Das Verhältnis der prinzipiellen Dialektik
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neue Logik der Dialektik ihr Augenmerk richten. Darin wird ihre
Abweichung von der alten Logik, soweit diese sich mit dem Problem
der Dialektik beschäftigte, zum Ausdruck gelangen. Nicht aus¬
geschlossen ist es dabei, daß diese zu schaffende Logik der Dialektik
auch zu der Nachprüfung veranlaßt, ob die traditionellen logischen
Formen noch ausreichende und haltbare Kriterien für die Aner¬
kennung auch jener Kategorien der historischen Dialektik dar¬
stellen, eine Frage, die Nikolai Hartmann gleichfalls berührt, oder
ob jene Logik der Dialektik im gewissen Sinne zu einer Dialektik
der Logik führt. Diese Überlegungen werden im Grunde sicherlich
darauf hinauslaufen, die Idee der dialektischen Problematik selber
als konstituierenden Gesichtspunkt für jene Logik und im Zusammen¬
hang damit auch als Kategorie oder als heuristische Maxime für
die Geisteswissenschaften zu würdigen.
Es ist ein naheliegender und unbezweäfelbarer Gedanke, die Ver¬
nunft selber als Erzeugerin und Trägerin der Dialektik anzusehen.
Aber diese logische Konstruktion hält die Antinomien fest auf der
Bahn und innerhalb des Rahmens der logischen Einheit und eines
einheitlichen, in sich ruhenden, sich selbst genügenden Prozesses, in
dessen Verlauf alle Abweichungen, alle gedanklichen Zerklüftungen,
alle Reibungen und Brüche kraft der einheitlichen Erzeugerin und
Trägerin wieder ausgeglichen und eingeebnet werden. Damit ist nicht
nur die eigentümliche Selbstbeschränkung, sondern auch die Gefahr
der Selbstaufhebung der Dialektik gegeben. Es gehört zu den größten
Paradoxien der Geschichte des Geistes und der Philosophie, daß der
umsichtigste und durchgreifendste Anwalt und Befürworter der
Dialektik zugleich ihr eigentlicher Bedroher ist. Denn Hegel, der
das Problem der Dialektik und das einer dialektischen Metalogik
gestellt hat, verfährt, worauf neuerdings angesichts der Erwägung,
ob wir einer Hegel-Renaissance entgegengehen oder nicht und ob
diese Renaissance berechtigt ist, häufiger hingewiesen worden ist,
Hegel verfährt bei der Behandlung viel zu monistisch, harmonistisch,
rationalistisch (z. B. Troeltsch, ,,Der Historismus und seine Pro¬
bleme4', S. 565, Anm.). Denn was frommt alle noch so betonte
Hervorhebung der Dialektik, wenn von Anfang an im Hintergründe
die allbezwingende Macht des Begriffs und der Vernunft bereitsteht?
Alsdann kann es sich nur um die logische Entgegensetzung von Be¬
griffen handeln, da die Vernunft einander nichts anderes entgegen¬
zusetzen vermag. Alsdann aber ist die „Aufhebung“ dieser Ent¬
gegensetzung auch nicht weiter verwunderlich: die Vernunft hat
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