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IV. Die Metaphysik der Dialektik
gesprochen werden. Jetzt sei zunächst der kurze Überblick über
die dialektischen Spannungen im Zeitbewußtsein vollendet.
4. Der Ring dieser Spannungen schließt sich insofern, als der
Technizismus auf der einen und der Historismus auf der anderen
Seite untereinander auch in dem Verhältnis einer Dialektik stehen.
Es handelt sich jetzt aber nicht um eine rein theoretische Dialektik.
Diese Art der Dialektik prägte sich bereits in dem Gegensatz zwischen
mathematisch-rationalistischer und philologisch-historischer Er¬
kenntnis aus. Was wir jetzt meinen, ist nicht dieser theoretische
Gegensatz, sondern ein weltanschaulicher Gegensatz, d.h.
Technizismus und Historismus gelten uns nicht bloß als Erkenntnis¬
formen, sondern als Weltanschauungsformen und von hier aus sogar
als zwei verschiedene Weltformen. Wir stehen damit vor
einer weltanschaulichen Dialektik.
5. Alle weltanschauliche Dialektik weist aber über sich hinaus
bzw. in sich hinein und hinter sich zurück. Sie weist hin auf eine
Dialektik in der Grundeinstellung des vernünftigen Geistes, auf
eine Dialektik in der Haltung der Vernunft selber und damit im
Wesen der Vernunft. Diese Dialektik sei als metaphysische
Dialektik bezeichnet. Zu begrifflicher Ausprägung gelangt sie in den
beiden metaphysischen Grundstandpunkten des Dogmatismus und
des Kritizismus. So werden wir dann von dieser metaphysischen
Dialektik zwischen Dogmatismus und Kritizismus zu
handeln haben. Das ist keine Dialektik mehr, die in erster Linie
für die Geistesart unserer Zeit bezeichnend und aus dieser heraus
zu verstehen wäre. Sie hat vielmehr einen typisch überlegenen,
einen typisch philosophischen Charakter; sie ist eine dialectica
perennis.