8. Platon und kein Ende
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der „Grundlegung“ eines Kulturgebietes unternimmt und vollzieht
(S. 164). Indem wir in dem Zusammenhang unserer Untersuchung
aber immer wieder betonen, daß der Begriff der Dialektik den¬
jenigen der Kritik in sich schließt, so daß wir hier in den
Ausführungen selber kritische Dialektik treiben, müssen wir
zugleich erkennen und betonen, daß wir hier, was sich aus diesen
Gedanken als selbstverständlich ergibt, ebensogut von einer Kritik
der Dialektik als der Absicht und Aufgabe unserer Ab¬
handlungen sprechen können. Denn da „Kritik“ Grundlegung
bedeutet, d. h. Begründung eines Kulturgebietes aus seinen tran¬
szendentalen Bedingungen, so zielt diese Grundlegung stets und
notwendigerweise auf die Dialektik hin, die die Geltung der tran¬
szendentalen Apriorität für das zu begründende Gebiet besitzt:
Kritische Grundlegung ist dialektische Deduktion.
8. Platon und kein Ende.
Für die Rechtfertigung dieser Behauptung, nach der die Dialek¬
tik also die für die Philosophie schlechthin grundlegende
und wegweisende apriorische Idee bedeutet, ferner für den
Zweck einer etwas genaueren Kennzeichnung dieses Dialektizismus,
sind folgende Gesichtspunkte maßgebend:
Wenn die Idee der Dialektik die soeben erwähnte fundamentale
und kategoriale Wichtigkeit besitzt, dann muß sie auch in jeder
echten und wahrhaften Wendung zur Philosophie beherrschend her¬
vortreten und in jeder Erneuerung der philosophischen Arbeit ihre
spekulative Kraft beweisen. In der Tat zeigt sich nun in der Er¬
neuerung der Philosophie in der Gegenwart ein solches Hervortreten,
eine solche Erneuerungder Dialektik. Das ergibt zunächst die folgende
Untersuchung. Sie darf vielleicht nach zwei Seiten hin als beachtens¬
wert gelten: Einmal in bezug auf die in philosophischer Hinsicht
so aussichtsreiche Renaissance der Dialektik selber. Es ist ein Krite¬
rium für den Geist und für den Sinn, für das Wesen und den Wert
der in unserer Zeit unbestreitbar sich vollziehenden oder wenigstens
vorbereitenden Erneuerung der Philosophie, daß diese Erneuerung
mit der Renaissance der Dialektik nicht bloß Hand in Hand geht,
sondern erst auf dieser Renaissance beruht und in ihr ihre Voraus¬
setzung und ihre Leitidee besitzt. Ferner darin, daß die Erneuerung
der Philosophie im wesentlichen eine Tat derjenigen Denker der
Gegenwart ist, die in ihrem Denken dialektische Züge tragen und