Full text: Grundlegung der Dialektik

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II. Von der Pflicht zur Metaphysik 
möchte ich sagen, sie seien alle wie in ein Zwielicht getaucht, und 
der Dämmerschein mache einen Teil ihrer Eigenart aus. Diese Be¬ 
hauptung trifft auch auf diejenigen Systeme zu, die angeblich voll 
und ganz aus dem Geiste des Rationalismus hervorgegangen sind 
und für ihren Aufbau sich angeblich rein rationaler Methoden be¬ 
dienen. Jeder Versuch, von den metaphysischen Begriffen und von 
der metaphysischen Begriffsbildung das Prinzip und die Methode 
der Dialektik fernzuhalten, führt unweigerlich zu einer Zerstörung 
der Metaphysik. Schon in seinem Ansatz vereitelt ein derartiger 
Versuch den Eintritt in die metaphysische Fragestellung überhaupt 
und die Aufstellung einer solchen Frage von vornherein. 
Die Dialektik der Erlösungsidee spricht sich unver¬ 
kennbar mithin darin aus, daß der Gedanke der Er¬ 
lösung, solange er innerhalb der Zuständigkeit der Meta¬ 
physik erwogen wird, — Problem ist und Problem bleibt! 
Selbst die Hypostasierung dieser Idee verhilft noch nicht zu jener 
Erlösungswirklichkeit, deren Zustandekommen der Religion Vor¬ 
behalten ist, und mit der uns die Religion beschenkt. Es wäre un¬ 
angebracht, der Religion aus dieser Leistung eine Überlegenheit über 
die Metaphysik zuzuerkennen und für sie daraus einen Primat ab¬ 
zuleiten. Ich möchte auch nicht das Gegenteil behaupten. Wird in 
der Metaphysik der Begriff der Erlösung in seiner Dialektik reiner 
gewahrt, so kommt in der Religion die Wirklichkeit der Erlösung 
zu ihrem Rechte. Was dort Gedanke und Problem, dialektischer 
Ansatz und Aufweisung einer Aporie ist, die aus der Problematik 
des Lebens mit unwiderstehlicher Gewalt aufsteigt, das erreicht in 
der Religion und kraft ihrer die Gewißheit seiner Aufhebung. Die 
Macht des Gedankens schafft das dialektische Problem der Erlösung 
als Problem, die vollendete Innigkeit des Glaubens schafft die wirk¬ 
liche Erlösung. Aus der ringenden Fülle derjenigen Motive, die in 
ihrer wechselseitigen Verbundenheit die Grundlage der Metaphysik 
bilden, entsteht gedanklich die tiefste Frage unseres Lebens, näm¬ 
lich die Frage nach seiner Heiligung und Erlösung, als die Frage 
nach dem Verhältnis des Endlichen und Vergänglichen zum Abso¬ 
luten und Vollkommenen. Die Metaphysik erwägt in der Form der 
Dialektik die Möglichkeit, das Recht und die Aussichten jenes 
schicksalshaften Verhältnisses — die Religion erzeugt und bahnt 
die Wege für die Erfüllung dieser gedanklichen Möglichkeiten. Sie 
allein verwirklicht jenes Recht und jene Aussichten, die von der 
Metaphysik dialektisch entwickelt waren, durch die, alle Dialektik
	        
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