Full text: Grundlegung der Dialektik

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II. Von der Pflicht zur Metaphysik 
Betrachtung besitzt. Indem sie von einer absoluten Überwelt aus 
begriffen und gewertet wird, mindert sich ihr positivistischer Daseins¬ 
sinn, wird sie ihrer Selbstherrlichkeit entkleidet, entschleiert sie sich 
als das, was sie „eigentlich“ ist, als eine eben nur endliche, nur 
irdische Größe, die ihr Recht von einer höheren Instanz aus emp¬ 
fängt. Um auch nur als „Erscheinung“ gelten zu können, bedarf sie 
der Rechtfertigung durch das Absolute und Ewige, bedarf sie der 
Bezogenheit auf dasselbe. 
Ohne die wissenschaftlich feststellbare Objektivität der Er¬ 
scheinungswelt zu diskutieren, stiftet der Geist der Religion doch 
zwischen ihr und der Sphäre des Absoluten eine dialektische Ver¬ 
bindung. Diese Verbindung hat keineswegs jenen Charakter der 
„Krisis“, wie die sogenannte dialektische Theologie von Barth, 
Gogarten, Brunner lehrt, die unter dem Begriff der Krisis einen voll¬ 
kommenen Bruch und die vollständige Gegensätzlichkeit zwischendem 
Relativen und dem Absoluten behauptet. Eine solche Auffassung ist 
mit dem Begriff der Dialektik unvereinbar, da dieser Begriff den¬ 
jenigen der Wechselbeziehung einschließt. Auf der anderen Seite 
verhindert die von uns vertretene Idee der Dialektik auch eine gar 
zu starke Angleichung des Endlichen an das Unendliche. Die Tragik 
der Spannung gehört zu unseres Fleisches Erbteil. Die Dialektik 
widerspricht dem gefährlichen Harmonismus, zu dem eine pantheisti- 
sche Weltauffassung mehr oder minder neigt und verführt. Wir 
Menschen bleiben immer in jener Dialektik zwischen dem Absoluten 
und dem Endlichen, dem Transzendenten und dem Immanenten 
befangen. Ebenso waltet zwischen dem Begriff des Absoluten und 
dem Begriff des Relativen in logischer Beziehung eine bis zur aus¬ 
gesprochen begrifflichen Paradoxie gesteigerte Spannung, die durch 
keinen spekulativen Harmonismus aufgehoben werden kann. 
So sehr der Geist der Religion auf die Sphäre des Absoluten 
gerichtet und erst in ihr heimisch sein mag, so sehr braucht er doch 
auch das Endliche und Unvollkommene. Denn nur an diesem und 
durch dieses vermag das Ewige seine Macht und seine Herrlichkeit 
zu offenbaren. Der Geist der positiven Wissenschaft fragt ab¬ 
sichtlich nicht über das Endliche hinaus. Auf diesem grundsätz¬ 
lichen und methodischen Verzicht beruht ein Hauptteil seiner 
Leistungsfähigkeit. Ganz im Gegenteil fragt und sieht, drängt 
und fordert das religiöse Motiv der Metaphysik — im Verein mit dem 
moralischen — über das Endliche der Erscheinung hinaus. Und 
schon in diesem Hinausfragen und Hinaussehen klingt in mystisch¬
	        
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