Full text: Grundlegung der Dialektik

Vorwort 
XIII 
von Angriffen zu verwenden und zu verschwenden. Ohne Zweifel 
hat auch das Ringen der philosophischen Schulen und Richtungen 
untereinander sein Gutes; es ist notwendig, weil es sich nicht zuletzt 
aus der konflikthaltigen Dialektik der Metaphysik speist. Aber 
einen wirklich philosophischen Wert trägt es doch nur dann, wenn 
jeder Streiter sich bewußt bleibt, seinen Kampf unter der über¬ 
legenen Idee der Metaphysik zu führen, und wenn er demgemäß 
handelt. 
Denn die Idee der Metaphysik selber ist allen diesen Gegen¬ 
sätzlichkeiten überlegen, sie alle dialektisch umfassend, weil sie die 
dialektische Einheit in der Wechselbeziehung aller ge¬ 
danklichen Gegensätze bedeutet. Die Dialektik stellt nicht 
bloß die formale Untersuchung des Rechtes bzw. des Unrechtes der 
einzelnen metaphysischen Richtungen dar. Sie steht ihnen nicht 
bloß als die Richterin über ihre Ansprüche gegenüber und ent¬ 
scheidet nicht bloß über das Ausmaß ihrer Geltungen. Sie hebt 
vielmehr jene Gegensätzlichkeiten sachlich und inhaltlich in sich 
auf, trägt sie als Wesensseiten und Einzelzüge in sich. Deshalb ist 
sie nicht nur in ihrer äußeren Weite, sondern gerade um ihrer 
inneren Verwickeltheit und um der spontan erwirkten Bewegtheit 
ihres Gewebes willen in ihrer Dialektik die Versöhnung der Pole. 
Ihr Versöhnungsgeschäft vernichtet diese Pole aber nicht, sie bejaht 
und erneuert, gebraucht und vertieft die Gegensätzlichkeiten fort 
und fort. Denn die Spannung zwischen den Polen ist ihr notwendig; 
und wie sie die Polarität als die Grundform ihrer Struktur in sich 
trägt, so offenbart sie auch diese Spannung als den wesentlichen 
und fruchtbaren Ausdruck der Vernunft. 
In der sozusagen rücksichtslosen und beinahe mitleidslosen 
Durchführung der Dialektik unterscheiden sich unser Standpunkt 
und unser Verfahren von der überlieferten und klassischen Form 
der dialektischen Philosophie. Bei Plato und noch stärker bei 
Hegel, minder stark hingegen bei Kant erfährt der Dialektizismus 
eine merkwürdige Abschwächung, die ihm schließlich einen guten 
Teil seiner Strenge und Schärfe nimmt. Humanistische und harmo- 
nistische, glättende und versöhnende Tendenzen wirken hier auf 
ihn ein, so daß die geistige Gestalt, in der er erscheint, vielleicht 
als der harmonistische und humanistische Typus der Dia¬ 
lektik bezeichnet werden kann. Die folgenden Ausführungen 
suchen die Wesensart dieser Form der Dialektik und die Be¬ 
dingungen für ihre Entstehung des genaueren zu schildern.
	        
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