Full text: Grundlegung der Dialektik

3. Das moralische Motiv 
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Grundlage der Freiheit. Diese Freiheit ist, wenn die ganze 
-N Tiefe ihrer Kraft und ihres Gehaltes wirklich und wirksam wird, 
viel mehr als ein bloß theoretischer Rund- und Weitblick über die 
Fülle des Lebens. Sie ist eine nicht mehr weiter definierbare 
Geisteshaltung, vielleicht die allereigentümlichste, wie ein 
Wunder erscheinende Fähigkeit inmitten der Fesseln, in die wir 
eingespannt sind. Keine Psychologie, keine Soziologie, überhaupt 
keine empirische Betrachtung vermag dieses Wunder der Freiheitstat 
zu erklären. Ich stehe keinen Augenblick an, in ihr eine geradezu 
mythische Begabung zu erblicken und zu würdigen, nicht bloß 
vergleichbar, sondern überlegen jenen ungeheueren geistigen oder 
seelischen oder körperlichen Fähigkeiten, die der alte Mythos seinen 
Helden und Lieblingen beilegte. 
Diese Freiheitstat ist, selbst wenn sie „nur als Idee“ oder gerade 
weil sie nur als Idee möglich und sinnvoll ist, so recht der Gegen¬ 
stand und auch das Ziel der Metaphysik, deren Untersuchungs¬ 
bereiche und Sinnmittelpunkte, wie sich immer wieder zeigt, die 
dialektischen Züge des Geistes und schließlich seine Dialektik selber 
sind. Daß und inwiefern sich in diesem Umstand eine wesentliche 
Richtung der Autonomie der Metaphysik ausprägt, werden 
wir in einem späteren Kapitel noch sehen, wo wir den Eigenwert 
der Metaphysik überhaupt auf das engste mit der Idee der Dialektik 
verbinden und diese Idee schlechthin als dasjenige Prinzip auszu¬ 
zeichnen und zu beglaubigen suchen, durch das die Metaphysik ihre 
Begründung und Sicherung ebensosehr wie die ihr eigentümliche 
Methode erhält. Ich greife hier Andeutungen auf, die in den voran¬ 
gehenden Darlegungen bereits häufig gemacht worden sind, und in 
denen die Autonomie der Metaphysik aus der Idee der Dialektik 
heraus verstanden wurde. Zugleich nehme ich absichtlich spätere 
und ausführlichere Untersuchungen vorweg, die dem gleichen Punkte 
gelten, weil mir seine Behandlung und Klarstellung von der größten 
Tragweite für die Aufhellung und Rechtfertigung des ganzen Planes 
unserer Arbeit ist. Durch die Überlegungen, die wir im Augenblick 
anstellen, klärt sich unsere Absicht in weitgreifendem Umfange 
voraussichtlich dadurch, daß wir die einzelnen Wurzeln aufzudecken 
unternehmen, aus denen als den tragenden Motiven das Gewebe der 
Dialektik hervorwächst. 
Besonders dürfte durch die gegenwärtig vorgenommenen Er¬ 
örterungen deutlich geworden sein, daß das moralische Motiv in 
entscheidendem Ausmaße die Metaphysik aus dem Umkreis einer
	        
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