XII
Vorwort
physik in der ganzen vielverschlungenen und vielgliedrigen Einheit
und Totalität dieses Begriffes ihrer Idee! Mit dieser Einsicht ist aber
die andere Einsicht verbunden, daß sich jene Einheit und Totalität
in der Idee der Dialektik ausprägen. Auf welchem anderen Wege
vermag die Metaphysik zur Selbsterfassung und Darstellung ihrer
selbst und des ganzen Reichtums ihres Gehaltes zu gelangen als
auf dem der Dialektik? Ist in der Dialektik nicht jener höchste,
jener universale Gesichtspunkt gewonnen, der der Universalität der
Metaphysik gemäß ist? Und zwar darum gemäß, weil die Dia¬
lektik die Verwirklichung der schöpferischen Tätigkeit
des Geistes selber darstellt, weil der Logos sein Schaffen in
die Form der Dialektik gießt. Demnach sind metaphysisches
Denken und dialektisches Denken ein und dasselbe, und
die verschiedenen Gestalten und Typen der Metaphysik sind nichts
anderes als die verschiedenen Gestalten und Typen der Dialektik,
die in jeder von ihnen ihre synthetische Einheit und ihre Kraft zu
synthetischer Vereinheitlichung bekundet.
Werfen wir nun bloß noch einen Blick auf die synthetische
Leistung der Dialektik, d. h. auf ihre Fähigkeit zur Zusammen¬
fassung und Überwindung der einzelnen Gestalten und der sich
untereinander bekämpfenden Typen der Metaphysik. Alsdann zeigt
sich, um hier nur in aller Kürze die wesentliche Verrichtung und
die wesentliche Richtung dieser Synthese anzudeuten, daß in der
Dialektik und kraft ihrer die ganze Fülle der altbekannten
und immer wieder auftretenden Einseitigkeiten philo¬
sophischer Entwicklungsreihen „aufgehoben“ ist. Sie um¬
faßt und verbindet die Gegensätze von Idealismus und Realismus,
von Rationalismus und Irrationalismus, von Absolutismus und
Relativismus, die die Einheit der Metaphysik immer wieder in un¬
philosophische Vereinzelung zerreißen. Die Aufrechterhaltung dieser
Einzelstandpunkte widerspricht nicht bloß dem umfassenden Be¬
griff der Philosophie, sie verhindert auch die einheitliche und folge¬
richtige Ausgestaltung der Metaphysik. Sie führt zur Parteiung, wo
wechselseitige Bezugnahme geboten ist. Sie veräußerlicht den im¬
manenten Kampf, der sich aus dem Wesen der metaphysischen
Gedankenbildung von selbst ergibt, zu einer Fehde zwischen äußer¬
lich getrennten Heeren und Lagern. Sie veranlaßt dazu, einen
wesentlichen Teil der philosophischen Kraft auf einen entbehr¬
lichen und oft unergiebigen Streit gegen die Bollwerke des Gegners
oder auf die Rechtfertigung des eigenen Standpunktes gegenüber