Full text: Grundlegung der Dialektik

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II. Von der Pflicht zur Metaphysik 
physikineinemgeradezu unerhörten gedanklichen Durch¬ 
bruch durch die Welt der Erscheinungen und durch die 
scheinbare unverletzliche Strenge ihrer Gesetzlichkeiten 
aus! Das geschieht dadurch, daß wir den Mut, ja, die Dreistigkeit 
und Vermessenheit zu einer Bewertung der Welt aufbringen. Wir 
vollziehen diese Bewertung durch die oben erwähnte Aufstellung 
eines absoluten Wertes und Sinnes, eine der kühnsten metaphysi¬ 
schen Handlungen des menschlichen Geistes, durch die er schlecht¬ 
weg über sich hinaustritt, durch die er sich nicht bloß den Anschein 
gibt, als könnte er Gott in die Karten gucken, sondern durch die 
er sich geradezu zur Rolle Gottes erhebt. Denn diese Bewertung ist 
nicht der bloß subjektiv gültige Ausdruck einer Deutung und somit 
nicht bloß auf den Geltungsumfang einer solchen Deutung be¬ 
schränkt. Die metaphysische Weltbewertung geht nicht von dem 
Standpunkt des interpretierenden Bewußtseins aus, sondern von 
der Überzeugung, daß „hinter“ den Erscheinungen ein objektiver 
und absoluter Wert und Sinn primär vorhanden ist. Also ist jene 
Wertaufstellung etwas ganz anderes als die erst hinterherkommende 
Folge der Hypostasierung und Verdinglichung eines primären Wert¬ 
erlebnisses. Sie ist sozusagen kein psychologischer Vorgang, sondern 
besitzt die denkbar größte Ähnlichkeit mit dem Wesen und der 
Naivität des religiösen Glaubens. Auch dieser Glaube verwesent- 
licht nicht erst seine Inhalte, um die objektive und absolute Sphäre 
der Religion aufzubauen, sondern er ist umgekehrt von der Über¬ 
zeugung abhängig, daß a priori vor ihm eine solche absolute objektive 
Sphäre tatsächlich besteht. 
Für die Metaphysik ist in einer ganz entsprechenden Weise der 
absolute Wert keine „bloße“ Idee, nicht bloß ein regulatives Prinzip, 
sondern eine absolute Wirklichkeit. Und das moralische Motiv ist 
nicht bloß ein subjektiver Beweggrund in dem Bewußtsein des Meta¬ 
physikers, es ist vielmehr eine objektive Größe, von der eine objekti¬ 
vierende Kraft ausgeht. Und diese Kraft bekundet und bewährt 
ihre Wirklichkeit und die Wirklichkeit ihrer Leistung in einer wagnis¬ 
reichen Durchbrechung der Erscheinungswelt und ihrer Ordnungen, 
in der metaphysischen Transponierung der Erscheinungen auf einen 
höheren, ihnen überlegenen Sinn, dessen Abglanz, dessen Nieder¬ 
schlag, dessen „Erscheinungen“ sie eben sind. Nicht für die positive 
Wissenschaft, nur für die Metaphysik, und nächst ihr dann für die 
Religion, sind die Erscheinungen eben nur „Erscheinungen“; für die 
positive Wissenschaft dagegen sind sie reale Gebilde schlechthin.
	        
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