Full text: Grundlegung der Dialektik

3. Das moralische Motiv 
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Erleiden aber durch diese Erkenntnis nicht unser Wollen und 
unsere Freiheit eine bis zur Unerträglichkeit gesteigerte Belastung 
und Einschränkung? Wirkt die Metaphysik dadurch nicht als eine 
schwerwiegende Unterstützung für den Determinismus und Fatalis¬ 
mus? Fördert sie dadurch nicht auch diejenigen seelischen und 
moralischen Folgen, die sich im Einzelleben und im Leben der Ge¬ 
samtheit aus dem Determinismus ergeben? In der Tat besitzen 
wir eine ganze Anzahl metaphysischer Systeme, die eine strenge 
deterministische Weltansicht aufrächten und sich diese Leistung als 
Vorzug anrechnen. Ihre Eigentümlichkeit besteht aber in ihrer, ich 
möchte beinahe sagen, unmetaphysischen Abhängigkeit von der 
naturwissenschaftlich-kausalistischen Wirklichkeitsauffassung. Da¬ 
durch erreichen diese Systeme nicht jene geistige Universalität, die 
mit dem Begriff der Metaphysik gegeben und allen wahrhaft klassi¬ 
schen Spekulationen eigen ist. 
Zu den maßgebenden und schlechthin unabweisbaren Forde¬ 
rungen, die mit dieser Idee der Totalität gegeben sind, sind nicht 
in erster Linie die Erkenntnis der Notwendigkeit aller Erschei¬ 
nungen und, in Verbindung damit, die Einstellung unseres Lebens 
in diese Notwendigkeit zu rechnen. Gewiß eignet einer Geisteshaltung, 
die sich der Einsicht in die Notwendigkeit alles Seienden beugt, 
das Kennzeichen der Größe; die Unterstellung unseres Wollens und 
Handelns unter das Gesetz der Notwendigkeit ist als eine heroische 
Tat der Freiheit zu würdigen. Keine Frage, daß in einzelnen Fällen ein 
solcher Heroismus und eine solche Freiheit vorliegen. Aber ein 
Letztes scheinen sie mir nicht zu sein! Sie vertreten eine Stufe der 
Weisheit, die der stürmischen Kraft des Lebens und den unerhörten 
Spannungen, die nicht bloß neben ihm einhergehen, sondern einen 
wesentlichen Teil seines Gehaltes ausmachen, nicht gerecht wird. 
Unser Dasein will nicht bloß Ruhe und Ausgleich; tief in unserem 
Willen steckt der Drang nach Auflehnung und Unruhe, nach Durch¬ 
brechung der überlieferten Bindungen, nach Ungehorsam gegen Gottes 
Gebote. Was würde aus dem Leben, wenn es sich dem Plan der Ge¬ 
setze vorbehaltlos fügen und seine Freiheit nur in der Anerkennung 
ihrer Macht und in einem entsprechenden Handeln betätigen würde? 
Der humanistische und klassizistische Freiheitsbegriff, wie ihn in gro߬ 
artiger Form z. B. Friedrich Schiller in seinen philosophischen Ge¬ 
dichten verbildlicht, erschöpft nicht die Dämonie der Freiheitsidee. 
Und diese Dämonie der Freiheitsidee, das Numinose, Über¬ 
rationale und Übermoralische in ihr, wirkt sich nun in der Meta-
	        
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