Full text: Grundlegung der Dialektik

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II. Von der Pflicht zur Metaphysik 
stehung in dem einzelnen Schöpferbewußtsein und für ihre An¬ 
erkennung als Kulturwert in der menschlichen Gemeinschaft und 
für dieselbe. Und zugleich ein Punkt, in dem in der Metaphysik und 
durch sie eine neue Dialektik hervortritt. Aus diesen Gründen ist 
es erforderlich, daß wir ihm noch einige Überlegungen widmen. — 
Wir wollen wiederum von der Erkenntnis ausgehen, daß die 
Metaphysik ihr Dasein und die ihr erwiesene Wertschätzung nicht 
einem vorurteilslosen Willen zur Erkenntnis, sondern einem durch¬ 
aus parteiisch eingestellten Willen zu einer heimlich vorgefaßten Be¬ 
wertung verdankt. Erst gleichsam post festum sucht sie in die Höhe 
der Erkenntnis zu erheben und durch die Würde der Erkenntnis zu 
begründen, was im moralischen Welterlebnis a priori und autonom 
gegeben ist. Dabei spielt es gar keine Rolle, ob dieses Weltwert¬ 
erlebnis sich nach der zustimmenden oder nach der ablehnenden 
Seite, nach der Seite des Optimismus oder der des Pessimismus 
entlädt. Die Hauptsache ist die in einer merkwürdigen primären 
Unbekümmertheit vollzogene Aufstellung eines absoluten Wertes, 
ist die dogmatische Behauptung eines absoluten Sinnes als des 
Erzeugers und Trägers, als der moralischen Stütze und Sicherung 
aller Erscheinungen. Im Akt der metaphysischen Deutung der Welt 
vollzieht sich eine Bewertung derselben, die, wie sie vorwissenschaft¬ 
lich ist, doch auf die Erkenntnis einschneidend zurückwirkt und in dem 
erkennenden Bewußtsein einen tiefgreifenden Wandel hervorruft. 
Bekanntlich gehört es zu den wesentlichen Obliegenheiten der 
metaphysischen Erkenntnis, die Welt der Erscheinungen als eine 
unbedingt notwendige darzustellen. Sie tut das in einer doppelten1 
Form. Erstens werden die Erscheinungen selber als Entfaltungen 
und Ausflüsse einer absoluten Einheit aufgefaßt, deren Entwick¬ 
lungsstufen diese einzelnen Erscheinungen sind. Ihre Zurückführung 
auf eine solche Einheit verleiht der Welt des Relativen den Zug der 
Notwendigkeit. Jetzt können die Erscheinungen nicht mehr als 
Ergebnisse einer Willkür gelten; ihre Relativität ist durch ihre Ab¬ 
hängigkeit vom Absoluten beseitigt. Eine wesentliche Erhöhung 
erfährt diese Sicherung der Erscheinungswelt durch die Form der 
Ableitung, dem zweiten Verfahren der Metaphysik für die Dar¬ 
stellung der Notwendigkeit des Relativen. Wie vielgestaltig sind 
diese metaphysischen Unternehmungen, die alle darauf ausgehen, 
für die Erscheinungswelt einen Zusammenhang aufzudecken, der, 
so sehr er sich auch auf die bloße Erfahrungswelt beziehen mag, 
seiner Natur nach doch selber von überempirischer Geltung ist. —
	        
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