Full text: Grundlegung der Dialektik

2. Das intellektuelle Motiv 
119 
mit angedeutet, was gemeint ist. Die Metaphysik hebt im Akte der 
Selbstbesinnung aus der positiven Arbeit der konkreten Wissen¬ 
schaft diejenigen Formelemente und Funktionen der Vernunft 
heraus, auf Grund deren die Wissenschaft ihre konkrete Arbeit 
vollzieht. Hier, in dieser konkreten Arbeit, haben die dialektischen 
Vernunftformen ihre Verwirklichung, die darin besteht, daß die 
ideellen Bezüge der Vernunft in der positiven Forschung zu gegen¬ 
ständlicher Anwendung gelangen und sich als ihre grundlegenden 
Bedingungen ausweisen. 
Sobald dieser Sachverhalt vergegenwärtigender Besinnung der 
Vernunftprinzipien durch die Erkenntnistheorie klar wird, offenbart 
sich die Hinfälligkeit des bekannten Einwandes Hegels gegen diese 
Disziplin der Metaphysik. Hegel glaubte die Unmöglichkeit der 
Erkenntnistheorie schon in einem Bilde dadurch beleuchten zu 
können, daß er ihre Unternehmung mit der Absicht jenes Scho¬ 
lastikers vergleicht, der das Schwimmen erlernen wollte, ohne ins 
Wasser zu gehen, und der, wenn er vor der Erwerbung der Schwimm¬ 
kunst den Sprung ins Wasser wagt, elend ertrinken müßte. Nehmen 
wir dieses Bild auf, so ist die Erkenntnistheorie der Scholastiker und 
die positive Wissenschaft das Wasser. Warum soll nun der Scho¬ 
lastiker das Schwimmen nicht lernen, während er im Wasser ist, 
und gerade weil er darin ist? Im Element des Wassers lernt er die 
Theorie. Aus der Wissenschaft holt der Erkenntnistheoretiker die 
ihr immanenten Prinzipien hervor, und zwar dadurch, daß er die 
Wissenschaft nach ihren Rechtsgründen, und das sind die Prinzipien 
der Vernunft, befragt. Im System der Wissenschaft entfaltet sich 
das System der Vernunftprinzipien in gegenständlicher Form; in 
ihm ist die Vernunft gegenständlich gegenwärtig. In der Metaphysik 
wird dieses System der Vernunftprinzipien begriffen, es wird hier 
in seiner gegenständlichen Gegenwärtigkeit von der Vernunft erfaßt, 
verstanden und in theoretischer Form dargestellt. 
Die Form dieser Darstellung ist der metaphysische Rationalis¬ 
mus. Wenn er das Wesen der Wirklichkeit aus der Vernunft und 
ihren Prinzipien ableitet und die Wirklichkeit als ein logisch auf¬ 
gebautes Vernunftsystem darstellt, so können wir fragen, woher er 
diese Vernunftprinzipien hat, ferner auf welche Weise er auf ihre 
Spur kommen könne, und welches Vorbild er für seine rationalistische 
Weltinterpretation besitzt. Die Antwort auf diese Frage ist nicht 
schwer. Das ihn leitende Vorbild sind die rationalen Wissenschaften, 
aus denen er das Gerüst der Vernunftprinzipien herauspräpariert.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.