Full text: Grundlegung der Dialektik

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I. Typische Einwände gegen die Metaphysik 
Als Gesamtergebnis der Kritik Diltheys an der Metaphysik 
können wir folgendes feststellen: Wie nach ihm die Metaphysik der 
Geschichte als Wissenschaft ein geschichtlich begrenztes Phäno¬ 
men ist, so ist die Metaphysik überhaupt befangen in den rein 
subjektiven und persönlichen Bedingungen ihrer Herkunft, ohne 
Aussicht auf die Gewinnung einer objektiven Geltung, die sich mit 
derjenigen der positiven Wissenschaften auf eine Stufe stellen ließe. 
Besteht eine Gewähr dafür, daß sie, selbst unter Anerkennung ihrer 
Geltung als eines subjektiven Gedankengebildes, eine solche einge¬ 
schränkte Existenz auch für die Zukunft aufrechterhalten kann? 
Dilthey neigt nicht dahin, diese Frage zu bejahen. Was die Philosophie 
in bezug auf die Metaphysik noch zu leisten habe, das besteht nicht 
in der Aufgabe, eine Metaphysik zu errichten, sondern höchstens 
darin, ein geschichtliches und psychologisches Verständnis für die 
Metaphysik, eine Erkundung der historischen und seelischen Be¬ 
dingungen, kraft derer sie erzeugt wird, zu erwirken. Im ganzen 
herrschen bei ihm die Stimmungen der Entsagung und der Skepsis 
entschieden vor, entsprechend der Wendung zum Empirismus und 
Positivismus, in deren Blütezeit er lebte, und die er begünstigte. 
Er vertritt, etwa mit Rudolf Haym, die Ansicht, daß die Zeiten der 
Errichtung originaler und positiver metaphysischer Systeme un¬ 
wiederbringlich dahin seien, und daß die geschichtliche Betrachtung 
sich in jeder Form zum Herrn über die Konstruktion aufgeschwun¬ 
gen habe. Von der Metaphysik selber können in die Zukunft nichts 
anderes als ein psychologisches Interesse an ihr und ein geschicht¬ 
liches Studium ihrer Entwicklung hinübergerettet werden. Wird 
sie als eine subjektive Begriffsdichtung anerkannt, so heißt das im 
Grunde doch nur, ihre Unhaltbarkeit ins Licht rücken; der Realis¬ 
mus und Rationalismus der neuen Wirklichkeitsauffassung wird für 
die metaphysischen Ruinen auf die Dauer nur noch ein mitleids¬ 
volles Lächeln übrig haben. 
Diese Einwände gegen die Möglichkeit und gegen die Zukunft 
der Metaphysik berühren und erschöpfen eigentlich sämtliche 
Punkte der Kritik überhaupt, die der Metaphysik noch von den 
anderen Gegnern zuteil geworden ist. Aus diesem Grunde können 
wir uns bei der Darstellung der übrigen Bedenken verhältnismäßig 
kurz fassen.
	        
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