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oder flüchtigere Praxis in Frage. (Über den Bau der Kuppel ist außer
Vasari zu beachten die vita anonima di Brunellesco, ed. Moreni, p. 151 bis
182, vielleicht ein modernes Werk, aber stellenweise auf ältern Quel¬
len beruhend; laut p. 162 und 164 war das Zwischenstockwerk mit
den Rundfenstern schon vor Bs. Anstellung vorhanden.)
Frühste schriftliche Theorie des Wölbens überhaupt bei L. B. Al-
berti, de re aedificatoria, L. III, c. 14, vgl. V, c. 18 und VII c. 11, nach
den Kategorien: fornix (Tonnengewölbe), camera (Kreuzgewölbe) und
recta sphaerica, scii, testudo (Kuppel); er verlangt das Wölben für die
Kirchen wegen der dignitas und Dauer, und auch für die Erdgeschosse
der Paläste.
§ 48
Die Gewölbe der Frührenaissance
Das Erste und Bezeichnendste ist der Widerwille der Renaissance gegen
das Kreuzgewölbe, dessen wesentlichster Vorteil jetzt allerdings wegfiel,
da oblonge Räume, für deren harmonische Bedeckung es so wesentlich
ist, entweder nicht mehr gebildet oder mit andern Gewölben bedeckt
wurden.
Das Gotische des Nordens hatte seine eigentümlichste Schönheit in
oblongen Raum-Einteilungen entwickelt. Vielleicht ist das oblonge
Kreuzgewölbe an sich schöner als das quadratische.
Nun braucht man das Kreuzgewölbe fortwährend, aber verhehlt.
Der einzige Florentiner, der es in seinen meisten Kirchen offen anwen¬
det, Baccio Pintelli (§ 76, 77), gerät damit in Nachteil gegen die Gotik,
schon weil er das kräftig sprechende Gurtwerk entbehrt.
Der letzte, welcher mit Gurtwerk und mit oblongen quer über ein
Kirchenschifflaufenden Kreuzgewölben eine leichte und edle Wirkung
erzielt, ist Dolcebuono, im Monastero maggiore zu Mailand, um 1 j 00,
vgl. § 23, 76.
Echte Kreuzgewölbe derselbenZeit (?) auch noch im Appartamento
Borgia, Vatikan.
Der eigendiche Lebensausdruck des gotischen Gewölbes waren die aus
den Pfeilern emporsteigenden Gurte und Rippen, zwischen welchen die
Kappen nur als leichte Füllung eingespannt wurden. Für die Renaissance
dagegen, welche über den Stützen ein antikes Gebälk herrschen läßt und
überhaupt alle schwebenden Teile durch starke Horizontalen von ihren
Trägern trennt, ist das Gewölbe eine deckende Masse. Der strengere
Detailausdruck derselben ist die römische Kassette; den reichern Aus¬
druck übernimmt eine rasch und hoch entwickelte dekorative Kunst
(§ I7I).