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Als Tullio Lombardo seine Friese (für welchen Bau wird nicht ge¬
sagt) in Treviso vollendet hatte, wurden sie im Triumph durch die
Stadt geführt; Pompon. Gauricus de sculptura, bei Jac. Gronov. thesaur.
graec. antiqq. Tom. IX, Col. 773.
Der Stil dieser Arabesken ist von der Dekoration höchsten Ranges
entlehnt. Oft geht unter dem Fries noch ein zweites, ebenfalls verzier¬
tes Band hin.
Die eigentliche Gesimsbildung bleibt vernachlässigt, wie Alles, was
nicht zur Pracht gehört. Zwischen Pilastern oberer und unterer Stock¬
werke ist kein Unterschied.
Die einzelnen Gebäude: S. Zaccaria, S. M. de’ Miracoli, S. Giovanni
Crisostomo u. a. Kirchen desselben Typus; die Paläste Trevisan, Ma-
lipiero, Manzoni-Angarani, Dario, Corner-Spinelli, Grimani a San Polo
u. a.; die ältern Scuole. Die Paläste werden gerettet durch die Schön¬
heit des aus der gotischen Zeit ererbten Kompositionsmotives (§21,
94). Wo dieses nicht vorhält, wie z. B. im Hof des Dogenpalastes, zeigt
sich der Prachtsinn in seiner vollen Ratlosigkeit. Der einzige Palast mit
ernsterer Durchführung der antiken Ordnungen, und zwar zum Teil
in Halbsäulen, läßt bei allem Luxus und Geschmack die florentinische
Schule schmerzlich entbehren: Pal. Vendramin-Calergi, 1481 von
Pietro Lombardo.
An den Fronten der Kirchen (S. Zaccaria) und der Scuole (bes.
Scuola di S. Marco) wird unbedenklich der ganze Vorrat von Inkru¬
stationen, Pilastern u. a. Zierformen im Dienst von kindlich spielen¬
den Kompositionen aufgebraucht; halbrunde oder sonst geschwungene
Mauerabschlüsse, bisweilen prächtig durchbrochen als Freibogen. An
der Scuola di S. Rocco (15x7) wurde das neue Motiv freivortretender
Säulen aufgegriffen (§37) und dieselben gleich mit Blumen umwunden.
Wo wäre die moderne Baukunst geblieben, wenn sie dem venezia¬
nischen Kunstschreinergeist und Juweliergeist dauernd in die Hände
gefallen wäre? Wie sehr würde man in Venedig selbst die Bauten des
Florentiners Jacopo Sansovino und seiner Schule vermissen, durch
welche erst die ausgebildete Hochrenaissance sich hier Bahn brach.
§ 44
Oberitalien und der Backsteinbau
Der Backstein hat seit Anbeginn aller Kunst wohl nie selbständig
seine eigenen Formen geschaffen. Seit Ägypten für Steinbalken über
Steinpfeilern eine bestimmte Ausdrucksweise hervorbrachte, gab der
Steinbau im Ganzen überhaupt die Formen an. Der Backstein, durch jene
uralten Präzedentien befangen und Jahrtausende hindurch als bloßer Er¬
satz des Steines gebraucht und nach Kräften verhehlt, spricht auch in den
wenigen römischen Beispielen, wo er zu Tage tritt, die Formen des Stei¬
nes nach.