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Ein heiterer Gegensatz zu der Strenge der großen römischen Unzialen
wird bisweilen darin gefunden, daß Kinderfiguren dieselben umspielen.
Vielleicht am frühsten in einer Friesmalerei des Pordenone an einem
Privathaus in Mantua, Vasari IX, p. 34, v. di Pordenone und Armenini,
/. c. p. 205. - Dann an dem Friese des Chorstuhlwerkes des Fra Da¬
miano in S. Domenico zu Bologna, § 152.
Die Kalligraphie, in der italienischen Schrift des 15. Jahrhunderts auf
höchste Einfachheit und Schönheit gerichtet, überlebte auch das Eindrin¬
gen des Bücherdruckes trotz der vorherrschenden Eleganz desselben
noch lange.
Das Bedürfnis nach Miniaturen hielt sie am Leben. Der Kalligraph
des Miniators Clovio, Monterchi, wird erwähnt Vasari XIII, p. 132,
v. di Clovio. Die Kalligraphen nennen sich in der Regel selbst.
VI. Kapitel
DIE FASSADENMALEREI
§ 162
Ursprung und Ausdehnung
Von der gemalten Dekoration ist ein Hauptzweig, die Fassadenmalerei,
nur durch verhältnismäßig wenige und für die Herstellung des Ganzen
unzureichende Reste vertreten, nachdem sie einst die Physiognomie gan¬
zer Städte wesentlich hatte bestimmen helfen.
Ihr Ursprung ist in den Madonnen und anderen heiligen Darstel¬
lungen zu suchen, mit welchen man im Süden von jeher die Mauern
geschmückt haben wird. (Sehr alte in Assisi, Perugia usw.; Einzelnes
aus dem 14. Jahrhundert, wie z. B. eine Madonna mit Heiligen und
blumenbringenden Engeln, von Stefano da Zevio, in Verona). Den
Rest der Fassade schmückte man etwa mit einem Teppichmuster.
Im 15. Jahrhundert neben wachsender Fertigkeit im soliden Fresko¬
malen und in der Perspektivik regt sich die Lust an den Zierformen
des neuen Baustiles und das Bedürfnis, dieselben gerade dann gemalt
im vollen Reichtum an den Fassaden walten zu lassen, wenn die Mittel
nicht ausreichten für Rustika oder Inkrustation oder reichere plastische
Ausbildung der Bauformen überhaupt, auch wenn man über Symme¬
trie und deren Proportionen nicht verfügen konnte. Selbst der gering¬
sten Mauer vermochte man jetzt einen hohen Wert zu geben. Dazu die
Sinnesweise der Besteller, welche die bunte Fassade so wenig scheu¬
ten als die bunte Kleidung; beim Gedanken an die Vergänglichkeit