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und doch nicht so, daß man dies ungeschehen wünschen möchte; das
Verhältnis zu dem Eingefaßten, mag es Skulptur oder Malerei be¬
treffen, ist ein konsequentes und in sich harmonisches.
Auf keinem andern Gebiete der Kunst und der Kultur überhaupt zeigt
sich die Renaissance dem römischen Altertum so völlig geistesverwandt
als hier. Sie bildet an dem Überlieferten ganz unbefangen weiter, als wäre
es ihr Eigentum, kombiniert es immer von neuem und erreicht stellen¬
weise die höchste Schönheit.
Schon die Cosmaten (§ 16) sind in ihren Dekorationsarbeiten wahre
Vorläufer der Renaissance.
Das gotische Detail muß die Italiener des 14. Jahrhunderts in der De¬
koration noch mehr unglücklich gemacht haben als in der Architektur;
umsonst hatten sie es mit römischen Horizontalen und Gesimsen, mit
antikem Laubwerk usw. versetzt, wodurch es nur noch irrationeller
wurde. Ihre Sehnsucht nach etwas anderem muß auf das höchste ge¬
stiegen sein, schon hundert Jahre bevor im Norden das Gotische seinen
letzten prachtvoll lebendigen Sprößling, den Dekorationsstil des sin¬
kenden 15. Jahrhunderts, trieb. Während nun in der italienischen Bau¬
kunst sich das Gotische noch neben der Renaissance behauptete (§ 23),
erlosch es in der Dekoration sogleich und fast vollständig, als die er¬
sten Arbeiten des neuen Stiles da waren. (Die sehr wenigen Ausnah¬
men in Venedig, siehe Cicerone S. 213, 269 und in Genua S. 197, be¬
stätigen nur die Regel).
Sogleich wetteiferte man nun mit den kühnsten und prächtigsten
römischen Motiven; das Weihbecken Quercias (?) im Dom von Siena
erreicht mit dem ersten Sprunge einen Inhalt, der dem reichsten römi¬
schen Kandelaber parallel steht, und ist doch völlig unabhängig von
einem bestimmten Vorbilde.
Der höchste Aufwand wird der neuen Dekoration sofort gegönnt, in
geistiger wie in materieller Beziehung.
§ Di
Das architektonische Element und die Flächenveruierung
Indes war die Dekoration der Renaissance durch unsichtbar mitwir¬
kende Präzedentien verhindert, einen rein von der Architektur ausge¬
schiedenen, prinzipiell in sich abgeschlossenen Stil zu entwickeln, wie die
des Altertums dies vermocht hatte.
Die wichtigsten Aufgaben, Grabmäler und Altäre, seit dem Mittel-
alter wesentlich als Architekturen gestaltet, blieben es auch jetzt bis zu
einem hohen Grade. Dabei behauptet sich schon die architektonische
Gebälk- und Sockelbildung, statt der verzierten Wellenprofile des deko¬
rativen römischen Stiles; sodann der Pilaster mit seinem Kapitell. Auch
bei bewegtem Formen wie z. B. an Kandelabern und Weihbecken er¬