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Gegenüber der florentinischen Sitte und Notwendigkeit des Hoch¬
baues blieben dies natürlich bloße Wünsche.
Die kubischen Raumgesetze bespricht er nicht bei Anlaß des Pa¬
lastes, sondern bei der Vorstadtvilla (IX, 3), was für unsere Betrach¬
tung keinen Unterschied macht. Wenn auch er und andere sich tat¬
sächlich kaum daran banden, ja wenn es sich um ein bloßes Postulat
oder Gedankenbild handeln sollte, so wird sich doch hier die Renais¬
sance zum erstenmal ganz deutlich bewußt als die Architektur des Rau¬
mes und der Massen. Aus einer Menge von Angaben mögen einige
Proben folgen. Alberti gibt die Proportionen modifiziert, je nachdem
die Räume rund oder quadratisch, flachgedeckt oder gewölbt sind.
Größere oblonge rechtwinklige Räume erhalten, wenn gewölbt, s/4
Diam. Höhe, wenn flachgedeckt, 7/5 Diam. Höhe - beide Male un¬
ter Voraussetzung, daß die Breite zur Länge sei wie 1 zu 2, denn bei
1 zu 3 träten wieder andere Verhältnisse ein. Bei großen Dimensionen
gelten überdies andere Proportionen als bei kleinen, weil der Gesichts¬
winkel ein anderer ist. Höfe sollen höchstens doppelt so lang als breit
sein. Zimmer am besten y3 schmaler als lang. Proportionen wie 3 oder 4
zu 1 geben schon nur noch Hallen (porticus), und auch da werde man
das Verhältnis von 6 zu 1 kaum überschreiten dürfen. An die Schmal¬
seite eines Raumes gehört Ein Fenster, welches entweder entschieden
breiter als hoch oder entschieden höher als breit sein muß. (In der Tat
blieb das gleichseitige viereckige Fenster aus den Hauptstockwerken
verbannt und wurde nur als Luke im Fries oder als Gitterfenster eines
absichtlich sehr strengen Erdgeschosses mit Rustica angewandt.) Ist
das Fenster höher als breit, so soll seine Öffnung iVamal so hoch als
breit sein und nicht über 1/9 und nicht unter x/4 der ganzen innern
Wandfläche betragen; sie soll beginnen zwischen 2/9 und 4/9 der
Zimmerhöhe über dem Boden. Ist das Fenster breiter als hoch und
also auf zwei Säulchen gestützt, so muß seine Öffnung zwischen x/2
und 2/3 der Breite der Wand betragen. An die Langwand gehört wo¬
möglich eine ungerade Zahl von Fenstern, etwa 3 wie bei den Alten;
man teile die Wand in 5 oder 7 Teile und setze in 3 derselben die
Fenster, deren Höhe 7/4 oder 9/5 der Breite betragen soll usw.
Verglichen mit den dürftigen ähnlichen Angaben bei Vitruv {L. VI,
c. 4 bis 6), der weder Gewölbe noch Fenster mit in Rechnung zieht,
zeigt sich hier ein ungemein großer Fortschritt.
§ 9°
Wesen und Anfang des Palastes der Renaissance
Die ideale, allgemeine Aufgabe des Zivilbaues spricht sich weniger klar
an Residenzen und öffentlichen Gebäuden aus, welche ihre besondern
und verschiedenartigen Zwecke zu verwirklichen haben, als an den Pri¬
vatpalästen, welche die Einheit des Willens und des Zweckes an der