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daß die anfangs engen Intervalle weiter und schönräumiger werden;
außen Umdeutung in einen prachtvollen Renaissancebau; die vortre¬
tenden Streben erhalten Sockel und Kranzgesimse in freier antiker Bil¬
dung, darüber statt der Spitztürmchen kandelaberartige Prachtzierden
von sehr viel schönerer Form als alle ähnlichen französischen Über¬
setzungen aus dem Gotischen; die Wandflächen mit Rahmenprofilen
umfaßt. Querbau und Chor, der Bau Rodaris seit 1513, mit polygonen
Abschlüssen, eines der schönsten Bauwerke Italiens, außen mit den
Formen des Langhauses in gereinigter und veredelter Gestalt (die Kup¬
pel modern).
Im Verlauf des 16. Jahrhunderts wird die Pilasterbekleidung der
Langseiten zwar zur Regel, aber meist in kalter und gleichgültiger
Form. Seit Michelangelos korinthischer Ordnung und oberer Attika
am Äußern von S. Peter (einem Motiv von streitigem Werte) hatte der
Barockstil ein Vorbild für Eine Pilasterordnung, sowie seit S. Fedele
in Mailand (von Pellegrini) für zwei Halbsäulen- oder Pilasterordnun¬
gen übereinander.
Häufig jetzt statt der Pilaster etwas vortretende Streben, auf wel¬
che dann vom Oberschiff ähnliche Voluten niederrollen wie die der Fas¬
sade (§ 69, 70).
Einzelne besonders reiche Anlagen haben am Dachrand eine durch¬
gehende Balustrade. An S. Peter war eine solche schon von Michel¬
angelo beabsichtigt, und die wenigen Stellen, wo sie wirklich ausgeführt
ist, zeigen, wie sehr auf ihre Wirkung gerechnet war (§ 66).
§ 82
Allgemeine Ansicht vom Kirchenbau
Die Renaissance verläßt sich beim Kirchenbau darauf, daß durch Ho¬
heit und Schönheit des architektonischen Eindruckes ein wahres Gefühl
alles Höchsten hervorzubringen sei. Sie bedarf keines sakralen Stiles (§61,
62); ihr souveränes Werk, zumal der Zentralbau, wäre ein Heiligtum in
ihrem Sinne auch abgesehen von allem Zweck und auch ohne Kirchweihe.
Alberti, de re aedificatoria L. VII, c. 3, 5, 10, 12, 13, 15, gibt dies Ge¬
fühl stärker heidnisch gefärbt als ein anderer. In den Tempel steigt das
Göttliche (superi) nieder, um unsere Opfer und Gebete in Empfang
zu nehmen. Sollte aber auch das Göttliche sich um der Menschen hin¬
fälliges Bauwesen nicht kümmern, so trägt es doch viel für die Fröm¬
migkeit aus, daß die Tempel Etwas an sich haben, was das Gemüt er¬
freut und durch Bewunderung fesselt. Der Eintretende soll von Er¬
staunen und Schauer hingerissen sein, daß er laut ausrufen möchte:
dieser Ort ist Gottes würdig! - Die Wirkung soll eine solche sein, daß
man ungewiß bleibe, ob die Kunst oder der Verewigungssinn größer
gewesen. - Die Lage verlangt er isoliert, in der Mitte eines Platzes oder
breiter Straßen, auf hohem Unterbau. Im Innern redet er dem Einen