Die Kunst
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Sinnlichem wenigstens seinen mittelbaren, vielleicht nur
seinen symbolischen Ausdruck hat.
Schön nennt, im weitesten Sinne des Wortes, der künst¬
lerische Mensch ein einzelnes Ding, wenn es eine anschau¬
lich ausdrückbare Seite des Wesens des Wirklichen rein
darstellt, wenn es gleichsam, obwohl es ein einzelnes Ding
ist, diese Seite des Wesens des Wirklichen „repräsen¬
tiert“. Ein einzelnes Ding steht hier in der Tat stets in
Frage, und deshalb konnte Kant mit Recht sagen, daß
alle ästhetischen Urteile, logisch gesprochen, „einzelne“
Urteile, d. h. eben Urteile über einzelne Dinge seien.
Unmittelbar schön ist da nun etwa ein Baum oder ein
Tier seiner Form nach. Mittelbar schön kann der Gesichts¬
ausdruck eines Menschen als Anzeichen einer Seite seines
Innenlebens sein. Symbolisch schön ist etwa eine friedliche
Landschaft oder auch das stürmische Meer: diese sind Sym¬
bole für die Stimmung, die sie in dem Menschen hervorrufen.
Der eigentliche Künstler nun schaut nicht nur schöne
Typen in der Wirklichkeit, sondern setzt schöne Typen
in die Wirklichkeit hinein. Diese nennt man dann Kunst¬
werke. Zuerst bestehen sie nur in seiner Phantasie: sie
sind wie der Inhalt von Träumen, von Wachträumen. Er
führt das Geträumte dann materiell aus, was er natürlich
„können“ muß. Aber das vermag er, zu erheblichem
Grade wenigstens, zu lernen; die eigentliche Hauptsache
kann er nicht lernen.
Daß das Kunstwerk stets ein einzelnes Ding ist, ist
selbstverständlich.
Der Künstler ist der Wesensschauer im Gebiet des An¬
schaulichen, und er schaut mit seiner Phantasie. Auch
hier kann es sich wieder um solches Anschauliche handeln,
das unmittelbar eine Wesensseite der Welt darstellt, oder
um solches, das mittelbar auf solche Wesensseite hinweist,
oder endlich um Symbolisches.
Alle Kunst, die sich nur mit Raum- und Zeitverhältnissen
und etwa noch Tonverhältnissen abgibt, wie also die Archi¬
tektur und Dekorationskunst und ein Teil von Plastik, Ma¬
lerei und Musik, gehört in die erste Gruppe. In die zweite