Das Geistige als Solches 65
Geschöpfe, etwa der Instinktwesen, nur ganz gelegentlich
heranziehen.
Da ist nun ohne weiteres klar, daß bei unserem Wissen
um Dinge und Geschehnisse der Natur und auch bei un¬
serem Wissen um fremdes Seelische, welches ja stets durch
ein Wissen um Leibesbewegungen, zu denen die Sprache
gehört, vermittelt wird, die sogenannte Reizung der
Sinnesorgane, etwa des Auges, und des Gehirns unse¬
res Leibes normalerweise dasjenige ist, was, um in un¬
serem Bilde zu bleiben, das „Band spannt“ und so aus
möglichem Wissen wirkliches Wissen macht. Mit anderen
Worten: normalerweise erwerben wir uns unser Wissen
um Naturdinge und Naturvorgänge sowie um andere
Seelen und ihre Wissensinhalte auf dem Wege der Sinne s-
empfindung, deren Ergebnisse unsere Seele auf die
mannigfaltigste Weise durch ihre innere Dynamik ord¬
nungsmäßig verarbeitet, um uns sodann die Ergebnisse
ihrer Arbeit „vorzustellen“.
Aber schon seit alters ist bekannt, und die neuere kri¬
tische Wissenschaft hat es bestätigt, daß es hier auch an¬
dere „Wege“ gibt, wenn sie auch nur von ganz wenigen
Menschen — soviel wir bis heute wissen — begangen werden
können: Im Wege des sogenannten Hellsehens wissen
diese Menschen um ferne oder verborgene Zustände der
Natur oder um Geschehnisse in ihr, und im Wege der
Telepathie und des Gedankenlesens wissen sie um
die Erlebnisse fremder Seelen, ohne daß, sowohl beim
ersten wie beim zweiten, eine Reizung der Sinnesorgane
in Frage kommt. Wir wissen heute nicht, wer hier das
„Band“, das ein Subjekt mit Objekten oder mit anderen
Subjekten im Sinne möglichen Wissens verknüpft, „ge¬
spannt“ und so mögliches Wissen zu wirklichem Wissen
gemacht hat. Bei der echten Telepathie, bei welcher,
oft ohne es zu wissen und zu wollen, eine Seele einer an¬
deren, etwa in Todesnot oder großer Gefahr, eine Fem-
meldung gibt, scheint ein starker Affekt der sendenden
Seele der Bandspanner zu sein; beim Gedankenlesen
andererseits, bei welchem der Empfänger, nicht wie bei
5 Driesch, Der Mensch und die Welt