Die Erfassung der Ordnung der Natur und der Seele 23
einen Gegenstand der Natur „meinen“ oder „anzeigen“
darf. Ihm selbst sehen wir das nämlich nicht ohne wei¬
teres an. Sind wir doch bisweilen, z. B. im Moment des
Einschlafens, im Zweifel darüber, ob wir „schon träumen
oder noch wachen“, und manche Menschen, Künstler zu¬
mal, erleben sehr „leibhaftige“ Gegenstände, welche doch
nur Produkte ihrer Phantasie sind. Meist freilich haben
wir hier praktisch hinreichende Sicherheit, wenn wir nicht
gerade an Halluzinationen oder einer allzu starken Phan¬
tasietätigkeit leiden. In strenge Worte zu fassen, wann
ein unmittelbares anschauliches Erlebnis einen empiri¬
schen Gegenstand anzeigen oder „meinen“ darf, ist aber
sehr schwer. Ein guter Teil der sogenannten „Erkenntnis¬
theorie“ hat sich um diese Frage bemüht — unter falschem
Namen, denn es soll gar nicht „erkannt“, es soll nur ge¬
ordnet werden.
Im allgemeinen kann man sagen, daß irgendein an¬
schauliches Bild als Erlebnis, also etwa ein kleiner See,
insofern als man ihn „sieht“, dann einen Gegenstand der
Natur anzeigen, also als eigentliche „Wahrnehmung“ gel¬
ten darf, wenn das so Angezeigte sich unserem allgemei¬
nen schon bestehenden Wissen von der Natur harmonisch
einreiht — ein Satz, bei dessen Anwendung freilich Vor¬
sicht geboten ist, denn es könnte doch auch einmal
Neues, noch gänzlich Ungekanntes „geben“; vorsichtig
aber darf man ihn in der Tat anwenden. Wenn ich also
etwa in der Wüste ein gewisses gesehenes Bild für einen
See „halte“, der „See“ aber, wenn ich auf ihn zugehe,
immer gleich weit entfernt bleibt, so werde ich sagen, daß
ich durch eine Luftspiegelung getäuscht worden sei. Denn
weglaufende Seen kenne ich nicht, und dieses Faktum als
etwas „Neues“ anzunehmen, liegt kein Grund vor; ich
kann es mir ja ganz gut „erklären“. Übrigens zeigt sich
gerade hier, daß die beliebte Redeweise, es gäbe die Über¬
einstimmung Vieler den Maßstab dafür ab, daß im ge¬
gebenen Falle ein wirklicher Gegenstand vorliege, recht
gründlich versagen kann. Den See dort in der Wüste hal¬
ten nämlich „Alle“ zunächst für einen See. Aber es ist