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Das natürliche Weltbild
miteinander: der Regen neulich wurde ja von der Sonne
vertrieben. Mit allen wollen wir uns recht gut stellen.
Sollte so ein großer Mann auch unsere Träume machen?
Hat er vielleicht neulich dem Nachbar das erzählt, was
erst später geschehen ist? Gibt es vielleicht Menschen, die
ein viel näheres Verhältnis zu ihm haben als gerade ich?
Schrecklich — gestern hat er einen Mann in unserem
Dorfe tot gemacht. Ich habe schon gehört, daß Menschen
sterben, daß Krieger sich töten. Ich glaubte es nicht so
recht, aber nun habe ich es gesehen: Der Mann war schon
ganz schwach gewesen lange Zeit und bewegte sich nur
noch wenig. Gestern aber bewegte er sich gar nicht mehr;
er war auch ganz kalt und sah so merkwürdig aus. Dann
roch er bald ganz abscheulich, und man brachte ihn rasch
unter die Erde. Wenn der Mächtige nur nicht mehr Men¬
schen tot macht, wohl gar meinen Vater oder meine Mutter
oder gar — mich. Sollte man ihm nicht irgendeinen Men¬
schen oder wenigstens ein Tier freiwillig darbieten, um
ihn zu besänftigen? Denn offenbar ist er böse auf uns,
sehr böse. Und er ist viel grausamer, als mein Vater oder
mein Lehrer gegen mich ist, wenn ich etwas getan habe,
was verboten war, was ich nicht tun sollte.
Ja, was heißt das eigentlich beides: daß ich etwas nicht
tun sollte, und daß ich einmal tot sein kann?
Sollte ich vielleicht manches tun oder auch nicht tun,
nicht nur deshalb, weil mein Vater oder mein Lehrer es
verboten haben, sondern — überhaupt nicht, auch dann
nicht, wenn sie es gar nicht erfahren können? Es scheint
mir so, mein „Inneres“, das ich ja schon kenne, scheint
es mir zu sagen. Gewiß spricht da ein Mächtiger zu mir.
Ich will doch die fragen, die ihm näher stehen als ich.
Aber das Sterben! W o ist denn nun der tote Nachbar?
Irgendwo muß er doch sein. Sein Körper ist unter der
Erde; ich habe selbst gesehen, wie man ihn hineinlegte.
Aber das war er ja nicht ganz; da fehlte etwas, und wo ist
das ? Ist es bei ihm oder wo sonst ? Und w a s ist es eigentlich.
Gewiß gibt es einen Teil der Welt, den wir gar nicht
sehen; gewiß ist unser Nachbar jetzt dort, und vielleicht