120 Das Bewußtsein und seine Rolle in der Welt
Er. Aber wer sind diese Ich, Du und Er? Was ist ihr
Wesen, wie können wir sie fassen? Ja — wir können sie
eben, wenn sie wirklich frei sind, nicht fassen, soweit sie
das sind; denn ein Wesen, einen festen Charakter als
„beharrliche Bedingung“ ihres Handelns dürfen sie ja
nicht haben. Hätten sie ihn, so wären sie nicht frei,
sondern in allem, auch ihrem Ja- und Neinsagen durch
ihr Wesen „bestimmt“.
Also wer ist eigentlich „verantwortlich“, weil er im
echten Sinne frei ist? — Ich weiß es nicht.
Dieses ist das größte Paradoxon im Rahmen der Frei-
heitslehre. Der Freie wäre kein bestimmter „Solcher“.
Er wäre eigentlich bei jeder Tat ein anderer, wegen eben
dieser Tat. Wie kann man ihn da verantwortlich machen
als einen, der er jetzt — gar nicht mehr ist?
Aber wenn eT nicht frei ist, so ist er auch nicht ver¬
antwortlich.
Also ?
IY. Das Bewußtsein
und seine Rolle in der Welt
Wir gehen zum Schlüsse dazu über, uns in populärer
Form ganz allgemein die Rolle des Bewußtseins in
der Welt zu betrachten, wobei wir, ohne ganz zureichende
Gründe, wie wir wissen, annehmen wollen, daß dieses
Bewußtsein mit Rücksicht auf die Zulassung oder Ver¬
hinderung der Verwirklichung von Inhalten des Willens
frei sei.
Die große überpersönliche Kraft, der die Organismen
ihr Dasein verdanken, hat also freie Wesen — („Wesen“
darf ich zwar eigentlich nicht sagen!) — haben wollen.
Jetzt sind sie da. Was tun sie mit ihrer Freiheit, mit ihrer
„sittlichen Vernunft“?
Da fällt uns zunächst ein Wort Goethes ein:
„Er nennt’s Vernunft und braucht’s allein, um tierischer
als jedes Tier zu sein.“