Full text: Unter den Brücken der Metaphysik

wieder zugeführt. Sein Geschöpf hat es aufgegehen, in Vernunft- 
gründen zu denken und mit Gott ins Gespräch zu treten; es wirft 
sich vor der Gottheit nieder und verehrt das Geheimnis, ohne es 
begreifen zu woilen. Kann aber Gott sich seines Triumphes über 
den stumm gewordenen Menschen freuen? Oder ist es nicht auch 
wieder der Teufel, der sich Bayles bedient, um Gott zu versuchen? 
Allein der Satan, der Geist des Nichts, kann zu allem nein sagen. 
Ist aber nicht das Nichts die äußerste Versuchung Gottes? 
Dennoch: wie sollte man immer noch mißtrauen? Ist Bayle nicht 
niedergekniet vor Gott? 
Liebt Bayle Gott, liebt er den Teufel? Wir wissen jedenfalls, daß 
er beiden gerecht werden will. Man macht dem Satan viele Vor¬ 
würfe und der Mensch legt ihm all sein Elend zur Last. Aber was 
wäre die Welt, wenn es ihn nicht gäbe? Gewiß, sie wäre voll¬ 
kommen. Aber soll sie das denn sein? 
Verjagt den Teufel und ihr habt eine Welt, wo alles wie in der 
Geometrie abläuft. Alles geht dort regelmäßig vonstatten und ist 
ohne Schwierigkeiten auf unbestreitbare Axiome zurückzuführen. 
In dieser Welt sieht man klar, und alle sagen das Gleiche, sie kön¬ 
nen sich nie widersprechen. Statt der großen Lexika gibt es ein 
kleines theologisch-logisches Lehrbuch, dessen Verfasser der zum 
perfekten Geometer gewordene Gott ist. Die Herrschaft der Geo¬ 
metrie hat das Anekdotische abgelöst. Und wovon soll man noch 
reden, da ja nichts mehr geschieht? Alles ist völlig begreifbar ge¬ 
worden, man hat nur ein für allemal zu fragen, was geschieht 
und immer geschehen ist, und braucht dann nie mehr darauf zu¬ 
rückzukommen. Es ist eine Welt ohne Neuigkeiten. Der Reporter 
hat nichts mehr zu berichten — und für Historiker ist kein Bedarf 
mehr. Denn was hätten sie noch in einer Welt zu sagen, in der 
alles dauert? Das wäre ein Text ohne Abschweifungen, ein glas¬ 
klares Exposé ohne Anmerkungen. 
— Der Mensch wäre in einer solchen Welt glücklich. — Er würde 
allerdings kein Elend mehr kennen, denn all sein Elend stammt ja 
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