Gott kann das Absurde nicht denken. Er weigert sich, es zu tun.
Seine unendliche Weisheit verbietet es ihm. Aber das ist auch der
Grund, warum ihm so viele Dinge entgehen. Die Macht des Teufels
hingegen ist aus all den menschlichen Absurditäten gemacht. Das
ist seine Domäne. Dort regiert er als Herr. Deshalb muß man sich
gerade an ihn wenden, will man den Menschen begreifen.
Aber noch einmal: der Teufel, der Bayle gern über die Streiche
unterrichtet, die er Gott gespielt hat, kommt nicht auf seine Kosten.
Die Seele Bayles entschlüpft ihm zuletzt doch. Manchmal freilich
sah es so aus, als ob er sie hätte und mit ihr zur Hölle führe. Aber
vor der Gelehrsamkeit muß man auf der Hut sein! Selbst der Teufel
zieht dabei den kürzeren. Zwischen ihm und der menschlichen Seele
steht eine ganze Welt von Büchern, steht die Philologie.
Bayle schließt sich in ihr ein. Er ist vorsichtiger als Faust und ver¬
läßt seine Bibliothek nicht. Er bleibt an seinem Schreibtisch sitzen,
von Folianten umgeben, die ihn beschützen. Deshalb kann ihn auch
die schöne Helena nicht durcheinander bringen. Wie so viele andere
berühmte Persönlichkeiten der Antike, findet sie ihren Platz in
seinem Lexikon; dort muß sie, zwischen zwei griechischen Zitaten,
eine sittsame und ganz und gar philologische Existenz führen
— wenn natürlich auch sie von der Absurdität des Menschlichen zu
zeugen hat.
So lebt Bayle zwar sein ganzes Leben hindurch in der Gesellschaft
Satans und hat sein Vergnügen an dessen Erzählungen, bringt es
aber dennoch fertig, ein sehr ehrenwerter Mann zu bleiben. Die
Gelehrsamkeit beschützt seine Tugend. Aus diesem Grund häuft
er immer mehr gelehrte Zitate an — Bollwerke, die der Teufel
nicht einzunehmen vermag. Auch Gott ist übrigens in keiner besse¬
ren Lage. Die Zitate gebieten ihm Halt. Der Gelehrte legt ihm
Fragen vor, indes der Mensch sich aus dem Staube macht. Und Gott
läuft genau wie der Teufel und die schöne Helena Gefahr, daß er
letzten Endes in Folianten eingesperrt wird und den Bereich der
Bibliothek nicht mehr verlassen kann, wo er nur noch Gegenstand
der Gelehrsamkeit ist. Der Gelehrte hält zu gleicher Zeit Gott und
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