kehrtem Sinn. In der göttlichen Schöpfung kommt der Geist vor
dem Körper; die Idee vor dem Bild; der Gedanke vor der Schau.
In der menschlichen Schöpfung werden die Körper Geist, die Bilder
kehren zu ihren Ideen zurück, und das Sichtbare verwandelt sich in
Gedanken. Aber während im ersten Fall alles von oben nach unten,
vom Vollkommenen zum Unvollkommenen geschah, hebt sich in
der menschlichen Schöpfung alles empor und steigt wieder zu sei¬
ner ursprünglichen Vollkommenheit auf.
So vollendet sich die Schöpfung im Menschen, dem zuletzt in diese
Welt Gekommenen. Gott hatte alles geschaffen und alles war an
seinem Platz. Aber dann gewahrte Gott, daß niemand da war, zu
betrachten, was er gemacht hatte, daß das Auge fehlte, zu sehen,
was sichtbar war. Darauf schuf er den Menschen.
Und dieser Mensch war keinem der Dinge ähnlich, die da waren.
Er wurde geschaffen, außerhalb von allem zu sein, damit er über¬
allhin seinen Blick werfen und wie ein Spiegel alles widerspiegeln
könne, was sich ihm darböte. Und losgelöst und getrennt von der
Weltordnung wurde er der Mittelpunkt von allem.
Im Menschen empfängt die sublunare Welt ihre Seele. Was wäre
diese Welt ohne den Menschen? Eine Erscheinung, die ihre Wirk¬
lichkeit nicht gefunden hätte, ein Schatten ohne Licht, ein Objekt,
das vergeblich das Subjekt suchte, von welchem es gesehen und ge¬
dacht werden konnte.
Das Weltganze braucht also ein denkendes Wesen, es braucht den
Menschen. Die große Welt, die da ist, kann ohne die kleine Welt
des Gedankens, ohne den Mikrokosmos des denkenden Wesens
nicht existieren.
»Der Mikrokosmos befindet sich inmitten des Makrokosmos, nach
der Natur der Dinge ... und es gibt nichts im Makrokosmos (ich
meine unter dem Firmament), das nicht für den Mikrokosmos ge¬
schaffen wäre. Alles wurde geschaffen, um in den Menschen über¬
geleitet und übertragen zu werden. Der Mikrokosmos ist so das
Ende des Makrokosmos, während der Makrokosmos dem Mikrokos¬
mos als Aufenthalt und Bleibe dient... So sind Makrokosmos und
37