Full text: Unter den Brücken der Metaphysik

hole und zu sich erhebe! Lerne dich hassen, auf daß er dich liebe 
und du dich liebst in ihm! 
Seufze und hoffe, o meine Seele! Hoffe seufzend und seufze hof¬ 
fend! Seufze, daß du ihn noch nicht siehst und hoffe, denn du wirst 
ihn sehen! Wenn du sagst: ich bin hier, seufzest du, aber wenn du 
sagst: bald werde ich bei ihm sein, frohlockest du. Deine Hoffnung 
läßt dich frohlocken; aber zugleich bist du traurig und seufzest, 
weil der, der hofft, noch nicht hat, worauf er hofft. Lerne unglück¬ 
lich sein, o meine Seele, damit du in ihm glücklich seiest! Seufze, 
damit du zu ihm, den du in Hoffnung geliebt hast, sagen kannst: 
Ich habe dich lange gesucht, o mein Gott. Und jetzt lasse ich dich 
nicht mehr. Lang war das Warten. Aber je mehr ich dich liebte, 
desto mehr stieg ich zu dir empor. Du hast mich getragen, deine 
Liebe hat mich hinweggetragen, auf daß ich in Ewigkeit dir lob¬ 
singe. 
Schon bist du bei ihm, da du liebst. Dein Herz singt und die Dinge 
schweigen. Dein Herz singt schon den Sang der Engel; dein Herz 
singt Gott. Wie bist du groß, die du elend bist, denn nichts, was 
nicht Gott ist, kann dich zufriedenstellen. Wie bist du groß, die du 
dich erniedrigst, um zu ihm empor zu steigen! Wie bist du groß, die 
er aus ihrem Elend befreit hat, damit sie ewiges Glück genieße! 
Liebe dich, o meine Seele, liebe dich in ihm, der das Leben deines 
Lebens ist, auf daß du den Tag erblickst, da du vom Tod befreit 
sagen kannst: Ich lebe. 
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